Hundeführschein auf Basis von Rasselisten
Politische Kosmetik statt echter Problemlösung
Die grundsätzliche Absicht, verantwortungslose Hundehalter zur Rechenschaft zu ziehen, findet die Unterstützung der Mehrheit der österreichischen Hundehalter, die nicht länger Sündenbock für einige wenige in ihren Reihen sein wollen. Doch die Art und Weise, wie diese an sich positive Absicht mit dem ab 1. Juli verpflichtenden Wiener Hundeführschein verwirklicht werden soll, ist nach einhelligen Aussagen von Fachleuten und Wissenschaftlern falsch, weil wirkungslos. Dies gleich aus mehreren Gründen.
Verantwortungslosigkeit ist ein Verhaltensmerkmal von Menschen, nicht von Hunden. Die Änderung eines menschlichen Verhaltens lässt sich nicht durch die verpflichtende Absolvierung eines Hundeführscheins erzielen. D.h., selbst wenn verantwortungslose Hundehalter den Hundeführschein erwerben, wird dies nichts an ihrem Verhalten ändern. Ein soziologisches und psychologisches Problem von Menschen lässt sich nämlich nicht auf kynologischem Weg, also auf dem Rücken von Hunden, lösen. Ein verpflichtender Hundeführschein ist daher einerseits wirkungslos und andererseits vermittelt er eine falsche Scheinsicherheit. Die Politik ist gut beraten, dies zu erkennen.
Zudem sind Gesetze, die auf Rasselisten basieren, nach Meinung zahlreicher Experten:
1. wissenschaftlich unhaltbar: Zahlreiche seriöse wissenschaftliche Studien beweisen, dass die Gefährlichkeit eines Hundes kein Kriterium einer Rassezugehörigkeit ist, sondern – nicht anders als bei Menschen – das Merkmal eines Individuums. Rasselisten sind nach Aussagen aller Wissenschaftler „wirkungslos in der Gefahrenprävention“.
2. widersprechen jeder Bissstatistik: Es gibt keine Bissstatistik, welche die erhöhte Gefährlichkeit der genannten Rassen belegt. Ganz im Gegenteil – sowohl in absoluten Zahlen wie auch relativ in Bezug auf die Populationsgröße – liegen die gelisteten Rassen stets auf den hinteren Plätzen. Die Stadt Wien konnte bislang trotz mehrfacher Aufforderung keine validierte Statistik vorlegen, die ihre Angaben belegen.
3. werden wegen Wirkungslosigkeit in Deutschland wieder abgeschafft: Zitat aus dem Koalitionspapier von CDU und FDP des deutschen Bundeslandes Schleswig-Holstein (Oktober 2009): „CDU und FDP wollen die Bürgerinnen und Bürger vor verantwortungslosen Hundehaltern schützen. Die Rasseliste hat sich dafür als nicht geeignet erwiesen und wird daher im Gefahrhundegesetz abgeschafft.“ Es ist nicht gerechtfertigt, ein Gesetz mit einer Rasseliste zu begründen, die sich in Deutschland (Schleswig-Holstein) nach 9 Jahren explizit als „nicht geeignet erwiesen“ hat und abgeschafft wird.
4. führen zu einer Kriminalisierung von Hundehaltern und Stigmatisierung von Hunden: Hundehalter von gelisteten Rassen, aber auch von Mischlingen, die ihnen ähnlich sehen, werden durch eine Rasseliste nahezu kriminalisiert, jedenfalls aber stigmatisiert, wie viele leidvolle Erfahrungen in Deutschland gezeigt haben. Zudem zeigen erste Erfahrungen mit dem niederösterreichischen Hundehaltegesetz, dass das Denunziantentum fröhliche Urständ feiert. Wie Erhebungen des ÖHV bei niederösterreichischen Gemeinden gezeigt haben, werde nun häufig angerufen, was man tun könne, damit der Hund des Nachbarn „eingezogen oder eingeschläfert“ wird. Dabei handelt es sich überwiegend gar nicht um Rassen, die im Hundehaltegesetz aufgelistet seien. Damit hat das NÖ Hundehaltegesetz das Klima der niederösterreichischen Gesellschaft verschlechtert.
Welche Lösung?
Der ÖHV tritt ein für vernünftige Maßnahmen, die das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Hunden verbessern können. Wissensvermittlung schon vor dem Erwerb eines Hundes ist ein anerkannt gutes Mittel dazu. Verantwortungslose Hundehalter hingegen lassen sich seit dem 1.1.2010, seit dem die österreichweite Chippflicht von Hunden in Kraft ist, leicht identifizieren und es sind die Behörden daher bereits jetzt in der Lage, bei relevanten Auffälligkeiten von Hundehaltern rechtzeitig einzuschreiten. Der verpflichtende Wiener Hundeführschein hingegen ist eine wirkungslose Scheinlösung und lenkt auch davon ab, dass sich die Politik ihrer Verantwortung entzieht, der sie seit der Einführung der Chippflicht und damit der eindeutigen Identifizierung verantwortungsloser Hundehalter sehr wohl bereits nachkommen hätte können.