Ao. Univ.-Prof. Dr. Irene Sommerfeld-Stur über sich

Auf den Hund gekommen …

… bin ich im privaten Leben früher als im beruflichen. Schon kurz nach dem Abschluss meines Veterinärmedizinstudiums zog mein erster Hund, eine Wolfspitzhündin, bei mir ein. Und sie war nur die erste einer Reihe von Hündinnen verschiedenster Rassen, die zum Teil nacheinander, zum Teil gleichzeitig mein Leben begleiteten und bereicherten bzw. das heute noch tun. Zurzeit sind es zwei Irish Terrier und ein Japanspitz, die den hundlichen Teil der Familie repräsentieren.

Am Institut für Tierzucht und Genetik der Veterinärmedizinischen Universität Wien, an dem ich seit dem Ende meines Studiums arbeite, befasste ich mich zunächst ein paar Jahre mit Nutztierzucht bis ich mich dann kurz nach meiner Habilitation auch beruflich den Hunden zuwendete. Das ist jetzt ziemlich genau 25 Jahre her. 25 Jahre in denen ich die Entwicklung der Hundezucht hautnahe und mit zunehmender Besorgnis beobachten konnte.

Die Besorgnis ergibt sich vor allem aus der erschreckenden Zunahme gesundheitlicher Probleme in vielen Hunderassen, aber auch aus der zunehmenden Bedeutung von gesetzlichen Regelungen, die in das Leben von Hundehaltern und Hundezüchtern eingreifen.

Hundezucht und Hundehaltung ist heute nicht mehr das, was es vor 25 Jahren war. Der zunehmenden Häufigkeit von genetischen bedingten Erkrankungen steht eine eindrucksvolle Entwicklung der Veterinärmedizin in den Bereichen der züchterischen Diagnostik, aber auch der Therapie gegenüber. Insbesondere die Fortschritte in der molekulargenetischen Diagnostik eröffnen hoffnungsvolle Perspektiven zur Bekämpfung von genetisch bedingten Erkrankungen.

Aber auch in anderen Bereichen haben sich mehr oder weniger einschneidende Veränderungen ergeben. So nehmen Tierschutzgesetz und Kaufrecht die Züchter vermehrt in die Pflicht, der Gesundheit der von ihnen gezüchteten Welpen besonderes Augenmerk zu schenken – und sei es um den Preis einer Abkehr von extremen und daher tierschutzrelevanten Rassemerkmalen. Der Qualzuchtparagraph im österreichischen Tierschutzgesetz liefert dazu nachvollziehbare und praktikable Ansätze.

Weniger nachvollziehbar und praktikabel sind dagegen Gesetze, die eine Reduzierung der von Hunden ausgehenden Gefahren auf der Basis einer Definition und Auflistung bestimmter Rassen, die „per Dekret“ als besonders gefährlich zu gelten haben, zu erreichen versuchen. Ein sachlich nicht begründbarer und aus meiner Sicht zudem untauglicher Versuch, der auch meines Wissens noch nirgendwo auf der Welt nachweislich zu einer tatsächlichen Reduzierung von Verletzungen durch Hunde geführt hat.

Meine Aufgabe in diesem komplexen Feld der Hundezucht sehe ich insbesondere in der Beratung von Züchtern, Zuchtverbänden, Hundebesitzern und von Veterinärmedizinern zu allen Fragen der Genetik. Aber auch die kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen und Methoden im Bereich der Hundezucht ist mir ein Anliegen. Denn nicht alles, was an neuen und modernen Methoden oder Verfahren zur Verfügung steht und angeboten wird, ist auch uneingeschränkt und unkritisch für den Einsatz in Hundepopulationen geeignet.

Und speziell den Populationen bzw. der Populationsgenetik gilt mein Interesse. Diese ist ja im Bereich der Hundezucht ein eher stiefmütterlich behandeltes Thema, das nichtsdestoweniger gerade bei den vielen kleinen genetischen Isolatpopulationen, mit denen wir es im Bereich der Rassehundezucht zu tun haben, von ganz besonderer Bedeutung ist, will man nicht in Gefahr kommen, ganze Rassepopulationen auf der Basis von hohen Krankheitshäufigkeiten und von Vitalitätsverlust durch Inzuchtdepression zu verlieren.

„Züchten heißt in Populationen zu denken“ – das wäre daher ein Motto, das ich jedem Hundezüchter gerne ans Herz legen würde.