Stellungnahme zur Novelle zum OÖ. Hundehaltegesetz

Das Amt der OÖ. Landesregierung hat am 20. November 2020 den Begutachtungsentwurf betreffend das Landesgesetz, mit dem das OÖ. Hundehaltegesetz 2002 geändert werden soll (OÖ. Hundehaltegesetz-Novelle 2021), veröffentlicht.

Der Österr. Hundehalterverband nimmt dazu wie folgt Stellung:

Das „oberösterreichische Modell“, bei dem man vor der Anschaffung eines Hundes einen (theoretischen) Sachkundenachweis ablegen muss, funktionierte in der Vergangenheit sehr gut. Laut Statistik von 2017 sind die Hundebisse von 322 Hundebisse bei 56.850 gemeldeten Hunden im Jahr 2007 auf 206 Hundebisse bei 74.446 gemeldeten Hunden im Jahr 2017 zurückgegangen. Obwohl die Hundepopulation gestiegen ist, sind die Hundebeißverletzungen zurückgegangen.

Anlass für die nunmehrige Novelle scheint folgender Fall vom Juli 2019 zu sein: Ein Pitbull-Mischling hatte in Ottensheim (Bezirk Urfahr-Umgebung) einen 12-jährigen Buben schwer verletzt. Er war offenbar durch ein Gartentor in ein angrenzendes Waldstück gelaufen. Dort attackierte er den Buben. Ein Mann, der nach ihm gesucht hatte, erlitt eine leichte Bisswunde. Ein augenscheinlich unvorsichtiger, damals 21-Jähriger, hatte einen Unfall verursacht.

Diesem Fall stellen wir einen aktuellen Fall vom November 2020 gegenüber, bei dem ein 60-jähriger Landwirt im Bezirk Braunau durch einen Deutsch Langhaar (Jagdhund) schwer gebissen wurde. Ein Mann, der zur Hilfe eilte, wurde ebenfalls von diesem Hund gebissen. Der Hund sei einem Gehege entkommen, hieß es in den Medien (https://ooe.orf.at/stories/3074886).

Wir fragen uns, wo nun der Unterschied zwischen den beiden Fällen liegt. Der Hund vom Vorfall 2019 war ein Pitbull-Mischling und der Hund im aktuellen Fall war ein Deutsch Langhaar. Für Deutsch Langhaar-Hunde wird es wohl künftig deshalb keine generellen Einschränkungen geben, für Pitbull Terrier und weitere Rassen (Stichwort Rasseliste) sehr wohl. Werden Bisse von „beliebten“ Hunden toleriert und Bisse von „verrufenen“ Rassen geahndet? Das erweckt eher den Eindruck von „Medienpolitik“ als von Demokratie.

Was spricht gegen Rasselisten?

Abgesehen von der ethischen Problematik sind Rasselisten ein ungeeignetes Mittel der Gefahrenabwehr und Bissprävention. Sie sind im besten Fall eine Steuermöglichkeit, um die Population bestimmter Rassen zu beschränken/regulieren. Sieht man die Prävention in einer geringeren Anzahl der gelisteten Hunde, mag eine Rasseliste attraktiv sein. Studien lassen allerdings vermuten, dass weniger Listenhunde nicht automatisch weniger Bisse bedeuten (wie in einer Studie in Dänemark herauskam).

Warum verhindern Rasselisten keine Bisse?

Die Erfahrung lehrt, dass jeder Hund beißen kann – ob er das tut hängt von der Gelegenheit, den zu einem Biss führenden Faktoren und der Fähigkeit des Hundeführers, eine Gefahrensituation rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden ab.

Die Rasse spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Aufgrund von Selektion (Zucht) gibt es eine große Anzahl von Hunden, die das sogenannte „Potential“ haben. Die auslösenden Faktoren sind zwar von Rasse zu Rasse durchaus unterschiedlich (vgl. Territorialität von Herdenschutzhunden, Jagdverhalten bei Jagdhunden, Hüteverhalten bei Hütehunden usw…), aber eine Gefahrensituation ist immer multifaktoriell. Nur wenn mehrere Faktoren zusammenkommen, kommt es zu einem Bissvorfall.

Die gängigen Anlässe für Unfälle

  • Freilaufende Hunde, die nicht unter der Kontrolle ihrer Halter stehen und auf einen anderen Hund treffen. Bei jeder ungeplanten Konfrontation von zwei Hunden besteht die Möglichkeit, dass ein Konflikt entsteht. Hunde tragen ihre Konflikte mit ihren Zähnen aus. Menschen, die dazwischengeraten oder eingreifen, laufen Gefahr verletzt zu werden.
  • Hunde im Privatbereich, ohne Aufsicht, in Kombination mit Kindern. Kinder können Hunde noch nicht „lesen“, sie interpretieren das Verhalten von Hunden häufig falsch. Meist unterschreiten Kinder die Individualdistanz von Hunden, oft spielen Ressourcen eine Rolle, seltener das Jagdverhalten. Fast 80% aller Hundeunfälle passieren im privaten Umfeld, in dem Gesetze für gewöhnlich keine Regelmöglichkeit haben.
  • Fehlinterpretation des Hundehalters – sehr oft können Hundehalter ihre Tiere nicht „lesen“, sie interpretieren daher das Verhalten ihres Hundes falsch, diese Fehleinschätzungen führen zu Unfällen.
  • Die Rasse des Hundes spielt in diesen möglichen Unfallszenarien keine Rolle.

Die 2 größten Probleme, die Rasselisten verursachen

  • Rasselisten erklären eine Anzahl von Rassen als „gefährlich“ und belegen sie mit Auflagen. Das führt dazu, dass Hundehalter, die keinen Listenhund führen a) meinen ihr Hund sei ungefährlich und b) diesen Zustand ausnützen, wenn sie mit einem Listenhundehalter konfrontiert sind. Das führt zu Problem 2:
  • Listenhundehalter stehen aufgrund der sich aus der Rasseliste ergebenden Vorverurteilung unter Druck. Das führt immer häufiger zu Streitigkeiten (meist zwischen Hundehaltern) und es führt dazu, dass Hundehalter sich im Fall eines Unfalls ihrer Verantwortung entziehen.

In Deutschland ist (in Bundesländern mit Rasselisten) zu beobachten, dass die Konflikte zwischen Hundehaltern zunehmen und immer häufiger mit „Waffen“ (meist Messer) ausgetragen werden. Eine wirkliche Reduktion der gelisteten Rassen ist nicht zu beobachten. Was allerdings passiert ist: die Hunde der gelisteten Rassen kommen selten vom Züchter, meist handelt es sich um Vermehrerhunde. Da Epigenetik eine wichtige Rolle im Hundeverhalten spielt, ist das eine gefährliche Entwicklung. Überspitzt gesagt: die Rasselisten machen gelistete Hunde erst gefährlich (was sie zuvor nicht sind).

In Wien ist seit der Novelle 12 zu beobachten, dass die Bereitschaft der Hundehalter, mit dem Hundegesetz zu kooperieren, stark gesunken ist. Zwischen den Hundehaltern kommt es häufiger zu Konfliktsituationen. Nichtlistenhundehalter kompensieren ihr Fehlverhalten gerne mit dem Argument, dass nur Listenhunde problematisch wären. Stadträtin Sima (die Initiatorin der Rasseliste und von Novelle 12) ist zur unbeliebtesten Politikerin avanciert.

Fazit

Einem Politschaffenden sei gesagt: Rasselisten als populistisches Anlassgesetz funktionieren nicht mehr. Die Implementierung einer Rasseliste erzeugt Widerstand und kostet Stimmen. Zuerst jene der Hundehalter, dann jene der hundelosen Bevölkerung. Letztere stellt relativ schnell fest, dass die Rasseliste kein „Mehr“ an Sicherheit bringt, stattdessen aber jede Menge Konfliktpotential aufgrund von unerzogenen nicht gelisteten Hunden.

Die tatsächlichen Probleme sind eine steigende Anzahl von Hunden, in vielen Fällen die Herkunft von Hunden (epigenetische und genetische Defekte aufgrund von inkompetenter Vermehrung), die mangelnde Bereitschaft zur Erziehung der Hunde, das mangelnde Wissen von Hundehaltern in Kombination mit einem Trend zur Vermenschlichung des Hundes. Diese Probleme sind mit Rasselisten nicht zu lösen.

Lösung des Problems

Es müssen Anreize geschaffen werden, dass Hundehalter ihre Hunde ausbilden. Wir sehen auch in einer gesetzlichen Verpflichtung zur Ausbildung des Hundes kein Problem.  Es kann aber nicht sein, dass Hundehalter von „Hunden mit erhöhtem Gefährdungs-potenzial“ mit permanentem Maulkorb- und Leinenzwang für eine Ausbildung „bestraft“ werden. Diese soziale Ungerechtigkeit und Ungleichstellung werden die betroffenen Hundehalter nicht einsehen und es wird zum zuvor erläuterten Verhalten kommen. Wenn schon Hundehalter aufgrund der Rasse ihres Hundes per Gesetz vorverurteilt werden, dann müssen sie zumindest die Möglichkeit bekommen, durch eine positiv absolvierte Prüfung mit ihrem Hund ein normales Leben – wie ein „nicht gelisteter“ Hund – führen zu können.

Die Lösung aller „Umweltprobleme“ mit dem Hund sind nur durch Ausbildung bzw. Beschäftigung mit dem Hund zu lösen und nicht durch Diskriminierung und Verbote.

(Diese Stellungnahme des ÖHV wurde der OÖ. Landesregierung, LR Klinger, LH Stelzer am 1.12.20 übermittelt.)