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Die Lebens­geschichte eines Hunde­händler-Welpen

Alltagsgeschichten

Im Juni dieses Jahres verurteilte das Amtsgericht Seligenstadt ein Ehepaar wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu 18 Monaten Haft ohne Bewährung (!) und verhängte ein fünfjähriges Berufsverbot für die Zucht und den Handel mit Hunden. Im Folgenden die Geschichte eines Golden Retriever, der von diesen Welpenhändlern zu einer fürsorglichen Familie kam.

Wir sind eine Familie, die bei diesen Leuten einen Welpen gekauft hat. Wie es dazu kam? Als wir 2010 in unser neues Haus am Waldrand zogen, rückte mein Hunde­wunsch in den Vordergrund. Als Kind bin ich mit Omas und Opas Hunden, Katzen und einem Pferd aufgewachsen und ein eigener Hund war schon immer mein Traum. Nun passten die Lebensumstände, und nachdem ich alles mit meinem Mann besprochen ­hatte, informierte ich mich zunächst über die verschiedenen Rassen.

Ein Retriever sollte es werden
Die Vorliebe dieser Rasse zum Wasser und zum Apportieren sagte mir sofort zu. Ein Golden, weil ich gerne durch wuscheliges Fell kraule. Nun schauten wir im Internet nach Züchtern bei uns in der Nähe. Tatsächlich gab es sogar gleich zwei, nur wenige Kilometer von unserem Wohnort entfernt. Alles schien perfekt. Ich rief zunächst den näheren Züchter im Ort Mömbris-Hohl an. Wir könnten sofort vorbeikommen, sagte uns die Züchterin B. Also fuhren wir voller Erwartungen sofort hin. Wir wurden durch das Haus in den perfekt angelegten Garten mit akkurat geschnittenem Rasen und dekorativen Stein­figuren geführt. Ich wunderte mich, dass kein Hundespielzeug herumlag und man ­keine gelben Flecken auf dem Rasen sah, wie man das in einem Welpenhaushalt erwarten könnte. Und dann wurden uns die Welpen gezeigt.

Es waren viele Welpen
Sie saßen in separat abgetrennten ca. 2,5 x 6 Meter großen Auslaufflächen mit Betonboden und Betonmäuerchen, damit die Welpen nicht ­herauskommen konnten. Zur Auswahl standen ­Labrador Retriever, Golden Retriever und ­West­highland White Terrier. ­Außerdem zwei schon etwas ältere Golden ­Retriever von ca. 18 Wochen in einer weiteren Auslauffläche, die günstiger abzugeben waren. Einer davon hatte eine dicke Beule am Kopf. Wir fragten, wo denn die Muttertiere seien, woraufhin Frau B. uns ganz offen sagte, dass sie nur eine Rassehundevermittlerin sei.
Die Welpen kämen aus Bayern und bei München sei der Markt nicht so groß, weshalb sie hier verkauft würden. In die kleinen Auslaufflächen zu den Welpen durften wir nicht hinein und anfassen durften wir sie auch nicht, weil wir ja Krankheiten übertragen könnten, hieß es. Da uns dies alles komisch vorkam, sind wir sehr schnell wieder gegangen und ich war wirklich schockiert, dass es so etwas bei uns auf dem Land geben kann. Hier würden wir sicher keinen Hund kaufen.

Züchter Nummer 2
Zuhause angekommen rief ich ­direkt bei der zweiten Züchterin an. Ich sagte ihr in einem meiner ersten ­Sätze ganz ­direkt, dass wir gerade aus ­Mömbris-Hohl kämen und dass wir so etwas auf keinen Fall unterstützen wollen. ­Daraufhin ­sagte die Züchterin W. zu mir: „Ja, da kauft man ja auch keine Hunde! Kommen Sie zu uns!“ Diesen Satz werde ich im Leben nicht vergessen, denn dieser Satz bestätigte mich in dem, was wir NICHT wollten, und schaffte bei mir bereits am Telefon eine Vertrauensbasis, weil ich annahm, dass diese Frau so etwas ebenfalls nicht ­unterstützen möchte.

Außerdem fragte ich, ob die Welpen ­Papiere hätten, was Frau W. bejahte. Also fuhren wir nach Seligenstadt. Wir wurden um das Haus herum in den weiträumigen Garten geführt. Uns begrüßten gleich zwei ausgewachsene, ­zutrauliche Labradore und eine helle Golden ­Retriever-Hündin, die uns auch als Mama der Welpen vorgestellt wurde. Die erwachsenen Hunde warteten in ­einem abgetrennten Bereich, während uns Frau W. zu den Welpen führte, die in einem hellen Gartenhäuschen, das mit Heu ausgelegt war, spielten. Es ­waren noch drei Welpen. Wir durften uns zu ihnen setzen und Kontakt aufnehmen. Frau W. erzählte uns, sie würde zwischen Seligenstadt und München pendeln und habe in München noch weitere Interessenten für diese Welpen.

Zur Entscheidung gedrängt
Die Züchterin meinte, wenn wir uns heute entscheiden würden, wäre das gut, weil die Welpen sonst schnell weg seien. Für mich war das ­nachvollziehbar, aber ich wollte dennoch Bedenkzeit und noch einmal wiederkommen. Also verabredeten wir einen weiteren Termin. Bevor wir gingen sagte Frau W. zu uns: „Kommen Sie mal mit, ich zeige Ihnen etwas.“ Sie ließ die drei erwachsenen Hunde aus dem abgetrennten Bereich hinaus und sofort rasten sie in den hinteren Teil des Gartens, in dem ein richtig großes Schwimmbad in den Rasen eingelassen war. Die Hunde paddelten begeistert darin herum. Ich war auch begeistert, muss ich ehrlich sagen. Ein richtiges Hunde­paradies – so dachte ich …

Wir ließen uns nochmal drei Tage Zeit, bevor wir wieder anriefen. Ich hatte mich ja schon etwas in den kleinen, ­hellen Rüden mit den runden Knopf­augen verliebt, der so vertrauensvoll in meinem Arm eingeschlafen war. Also fuhren wir wieder hin, um alles noch einmal auf uns wirken zu lassen und letztendlich unseren Welpen abzuholen. Wir wurden in ein kleines Nebengebäude geführt, das wie ein kleiner Laden eingerichtet war. Es gab Halsbänder, Leinen, Geschirre und Spielzeug und man konnte auch das gewohnte Futter für die erste Zeit kaufen. Der Kaufvertrag wurde ausgefüllt, der Welpe wurde vor Ort gechippt und schlief bereits wieder auf meinem Arm. Nachdem wir bezahlt hatten, warteten wir darauf, dass wir die Papiere bekommen würden. Auf Nachfrage sagte uns Frau W., dass es keine gäbe. Mein Mann und ich haben uns mit großen Augen angeschaut. Was sollten wir jetzt machen? Emotional war ich bereits mit dem Welpen verbunden. Das Geschäft war abgewickelt. In dem Moment sah ich keinen Grund für eine Rückabwicklung. Wir hatten die Hunde­mama gesehen, wir hatten uns von der Zuchtstätte ein Bild gemacht und die Welpen hatten einen gesunden und munteren Eindruck vermittelt. Also nahmen wir ihn dennoch mit nach Hause.

Genau hier ist nun der Punkt, an dem ich es aus heutiger Sicht, d.h. mit meinen heutigen Erfahrungen und meinem heutigen Wissen anders machen würde. Wir würden heute unter diesen Umständen keinen Welpen dort kaufen und viel kritischer nachfragen. Damals handelten wir emotional menschlich, ohne uns vorstellen zu können, dass uns jemand gerade ganz gewaltig belügt.

Den ersten Hinweis, dass da etwas nicht stimmt, bekamen wir in der Hundeschule Aschaffenburg. In der Welpenspielstunde waren mehrere gleichaltrige ­Golden Retriever-Rüden, die doppelt so groß waren wie unser Kleiner und doppelt so viel Fell hatten. Als wir das ansprachen, fragten uns die Trainer, woher der Welpe sei. Die „Züchter“ in Seligenstadt waren ihnen schon seit Jahren bekannt. Sie hatten immer mal wieder Welpen von dort in ihren Kursen und hatten auch bereits selbst schon das Veterinäramt verständigt.

Einiges merkwürdig
Ich bin aus allen Wolken gefallen und im Nachhinein waren einige Sachen merkwürdig: Sehr subtil war auf uns Druck gemacht worden, den Welpenkauf abzuschließen. Die angebliche Mama der Welpen hatten wir in ­keinem ­Kontakt zu den Kleinen gesehen, sondern immer nur separiert in einem anderen Bereich. Uns wurden ­Tabletten mitgegeben, die wir dem Welpen 4 Tage lang geben sollten, damit er keinen Durchfall bekomme. Die Geschichten, die Frau W. uns erzählte, von Fußballstars und Scheichs, die Welpen bei ihr kauften, haben uns nicht wirklich interessiert, waren aber ein regelrechtes Anpreisen der Welpen. Wir sollten eine Stunde vor Abholung unbedingt noch­mal anrufen und Bescheid geben, dass wir auch pünktlich kommen. Dieses Drän­gen auf einen Anruf war bei der Mehrheit der anderen ­Welpenkäufer von diesen Händlern auch so, und das fanden wir im Nachhinein allesamt merkwürdig.

Nun meldete ich mich in einem Hunde­forum an, begann zu recherchieren und schrieb Beiträge. Ich suchte Wurfgeschwister, die genauen Daten wollte mir Frau W. allerdings nicht bekanntgeben. Sehr schnell stieß ich aufgrund meiner Suche auf Leute, die ebenfalls einen Hund von dort gekauft hatten. Ihre Schilderungen zum Ablauf ­deckten sich mit unseren ­Erfahrungen und die Berichte wurden immer ­haarsträubender. Wir taten uns mit 5 weiteren Welpenkäufern zusammen und schrieben Erfahrungsberichte, die wir an die verschiedenen Stellen, z.b. Tasso, schickten. Es interessierte sich allerdings niemand für unsere Geschichte und Informationen. Wir telefonierten mit verschiedenen Medien. ­„HundKatzeMaus“ (VOX) hatte kein Interesse an einem Bericht, Dogs ebenfalls nicht. Die Bildzeitung hätte eine Story gedruckt, aber nur in Verbindung mit einer traurigen Schlagzeile und einem entsprechenden Bild dazu (todkranker, armer Hund mitsamt dem Halter abgedruckt). Das wollte ehrlich gesagt niemand von den Beteiligten für sich.

Anzeige erstattet
Wir erstatteten bei der Kripo ­Offenbach eine Sammelanzeige. Der Kripo ­waren diese Personen schon lange ein ­Begriff. Außerdem informierten wir das Veterinär­amt und das Finanzamt. Das Veterinäramt war bereits seit Jahren informiert, konnte jedoch nicht dagegen vorgehen, weil scheinbar die ­relevanten Auflagen erfüllt wurden. Einzig die Hundeschule Aschaffenburg veröffentlichte auf ihrem Blog unsere Erfahrungsberichte. Es war wirklich frustrierend, dass sich zu dem Zeitpunkt keiner für die Informationen, die wir zu liefern bereit waren, zu interessieren schien. Unser Hund Mali fing schon nach einigen Monaten an, merkwürdig zu laufen. Die Befürchtung Hüftgelenkdysplasie bestätigte sich zwar nicht, doch kam ­heraus, dass er einen Übergangswirbel im Lendenwirbelbereich sowie Spondy­lose hat. Und zwar so stark, dass im Alter von nur knapp über einem Jahr bereits 5 Wirbel verknöchert und steif waren.

Schmerzvolle Zukunft?
Mali hatte Schmerzen, und so ließen wir ihn operieren. Die zweite OP liegt nun schon 2 Jahre zurück, und seither geht es unserem Schatz gut. Er rennt zwar nicht so ausdauernd wie ein gesunder Hund, aber er rennt wenigstens. Und er hat Freude am Leben.

Von anderen Welpenkäufern wissen wir von sehr sehr ängstlichen, verhaltens­gestörten Hunden, die teilweise ­sogar dauerhaft Medikamente nehmen müssen, um am Alltag teilnehmen zu können. Wer weiß, was die Welpen bereits in ihren ersten Lebenswochen erleben mussten. Wir haben in dem Hunde­forum gelesen, dass ganz viele Welpen bereits nach wenigen Tagen verstarben. Vor ­anderen Käufern haben die Züchter eingeräumt, dass sie Welpen aus dem Ausland zukaufen, und man mag sich gar nicht vorstellen, unter welchen Umständen „gezüchtet“ wird.

Mali ist ein sehr lieber, zutraulicher, lebenslustiger und kontaktfreudiger Hund. Nicht mit psychischem, dafür mit physischem Schaden. Wir waren Erstwelpenkäufer und dachten, wir seien gut vorbereitet und informiert gewesen. Nie im Leben hätten wir damit gerechnet, dass uns so skrupellos ins Gesicht gelogen wird. Wir waren aber mit Sicherheit auch einfach zu naiv. Viel zu gutgläubig. Bezahlt haben wir übrigens knapp 1000 Euro; also nicht wirklich ein Schnäppchen, und auf ein Schnäppchen waren wir auch nicht aus gewesen.

Diese Welpenhändler, die nun endlich als solche enttarnt wurden, sind in diesem Jahr zu einer Freiheitsstrafe ­verurteilt worden (nachzulesen unter www.wuff.eu/haft-fuer-welpenhaendlerin). Ich weiß allerdings, dass hinter diesem florierenden Geschäft noch viel mehr Personen stecken als diese beiden, die nun verurteilt wurden. Wir hatten nur mit einer Person zu tun, die uns allerdings von ihrem Mann und ihrer Tochter erzählte, die ebenfalls in das Geschäft mit den Welpen involviert sind.

Nachdem mir die Redaktion von WUFF anbot, hier unsere Geschichte mit Bildern von Mali zu ­veröffentlichen, war für mich sofort klar, dass in ­diesem Artikel nicht meine – nach Mali – zweite Leidenschaft, die Fotografie, im Vordergrund stehen wird, sondern Malis ­Geschichte. Eine Geschichte, die vielleicht ein klein wenig dazu beitragen kann, dass in Zukunft noch ein paar Leute mehr vorsichtiger und kritischer an den Welpenkauf herangehen ­werden. Ich hoffe es jedenfalls sehr. Jetzt ­ge­nießen wir dennoch die Zeit mit Mali und hoffen, dass er noch ein paar Jahre bei uns bleibt.

Mehr über Malis Leben und ­schöne ­Fotos finden Sie auf seiner ­Facebook-­Seite: www.facebook.com/Mr.GoldenRetrieverMALI

Pdf zu diesem Artikel: alltagsgeschichte_102016