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Der „Sofa-Schnappi“ – Dominiert mich mein Hund?

Die Kolumne zum Thema „Alltagsprobleme mit dem Hund". WUFF-Autorin Yvonne Adler, Tierpsychologin, akademisch geprüfte Kynologin und Hunde­trainerin, beantwortet Ihre Fragen. Schicken Sie uns Ihr Alltagsproblem mit Ihrem Hund , kurz formuliert und mit 1 bis 2 Bildern. In dieser Ausgabe geht es um einen Yorkshire Terrier namens Rambo, der mit Frauchen das Sofa vereinnahmt hat.

Hallo Frau Adler!
Wir besitzen seit 1 Jahr unseren Rambo. Rambo ist ein Yorkshire Terrier und mein ganzer Liebling. Er kam mit nur 6 ­Wochen zu uns, musste von mir liebevoll hochgepäppelt werden und überlebte wegen der Unterernährung nur knapp. Seit ein paar Monaten lässt er jedoch ­meinen Mann sich nicht mehr zu mir auf die Couch setzen. Sobald Rambo auf meinem Schoß sitzt, knurrt er und bellt meinen Mann an. Und egal, was ich sage, er lässt sich nicht beruhigen. Versucht mein Mann dann Rambo anzufassen, schnappt Rambo nach ihm und hat ihn schon mehrmals richtig böse in die Hand gebissen. Zum Glück machen die kleinen Zähne keine großen Verletzungen. Nun hat mein Mann in einem Buch gelesen, dass dies ein Dominanzproblem sei und Rambo mich als sein Frauchen dominiert und beherrscht. Wissen Sie vielleicht einen Rat? Ich mag Rambo gerne bei mir auf der Couch behalten.
Liebe Grüße
Roswitha Hinz!

Liebe Frau Hinz!
Ich kann Ihre Erzählung sehr gut nachvollziehen: ein kleines unbeholfenes Wesen aufzunehmen, das auf der Kippe steht, schafft eine sehr starke Bindung zwischen Mensch & Hund. Zusätzlich werden in Frauen meist auch Muttergefühle geweckt, wenn sie sehr junge Welpen aufnehmen und aufziehen. Die Biologie hat dafür die perfekte Basis geschaffen: das Bindungs- & Kuschelhormon Oxytocin spielt dabei u.a. eine wichtige Rolle. Man versucht natürlich alles, damit der Welpe überlebt. Oftmals passiert es dabei, dass man aus dem Blick verliert, wann der junge Hund tatsächlich über den Berg ist, und verwöhnt ihn noch weiter. Dabei darf man jedoch die normale Erziehung nicht vergessen.

In Ihrem speziellen Fall rate ich deshalb zu folgenden, ehrlichen Fragen, die Sie sich selbst stellen sollten: Verhätscheln Sie Rambo sehr? Sehen Sie ihn vielleicht noch als den schutzbedürftigen ­Welpen? Kennt Rambo Kommandos und hat er eine Erziehung genossen? Kennt er Grenzen, die er einhalten soll, und die Sie dann liebevoll von ihm auch einfordern? Der Ratschlag, den ich Ihnen hier mitgeben kann, ist, durch diese Fragen Ihre Beziehung zu Rambo zu hinter­fragen und ein wenig Selbstreflexion zu betreiben. Eine gute Erziehung ist wichtig für Hunde – sie liefert u.a. die alltäglichen – im besten Fall – immer gleichen Spielregeln bei Ihnen zu Hause.

Es ist sehr erfreulich, dass Ihr Mann sich selbst über Bücher informiert, um eine Lösung für Ihr Problem zu finden. Jedoch muss man bei der Buchauswahl Vorsicht walten lassen: viele ­sogenannte Experten propagieren, dass Hunde nicht auf die Couch oder auf das Bett ­dürfen, da die erhöhten Liegeflächen nur von dem Rudelführer genutzt werden ­dürfen. Ein Hund, der auf der Couch liegt, würde damit die Rudelherrschaft übernehmen. Frei nach dem Motto: „Heute die Couch, morgen das gesamte Rudel, übermorgen die ganze Weltherrschaft". Dies ist fachlich jedoch schlicht falsch.

Abgesehen davon, dass Menschen & Hunde kein Rudel bilden, weil dies nur innerartlich bei Hunden möglich ist, wird für diese Erklärung auch oft der Dominanzbegriff herangezogen. Dadurch sollen zumeist rohe oder gewaltvolle Umgangsformen mit dem Hund gerechtfertigt werden. Durch viele Studien und die daraus resultierenden wissenschaftlichen Erkenntnisse bzgl. Sozial- & Lernverhalten von Hunden weiß man heute, dass diese Behauptungen nicht korrekt sind. Ob man seinen Hund auf der Couch oder vielleicht sogar im Bett haben möchte, ist persönliche Geschmacksache des Halters und muss individuell entschieden werden. Wenn jedoch ein Verbot ausgesprochen wird, dann muss dieses konsequent umgesetzt werden.

Die Lösung für das Verhalten von Rambo liegt auf jeden Fall nicht darin, ihn nicht mehr auf die Couch zu lassen. Denn dies ist eine reine Symptom­bekämpfung, löst aber nicht die Ur­sache. Es könnte durch das Verbot also dazu kommen, dass sich das zu Grunde liegende Problem in anderen ­Situationen zeigt.

Einerseits sollten Sie sich selbst beobachten: Hunde spüren meist intuitiv, was wir meinen, wie wir uns fühlen und wie es uns geht. Wenn Sie nun auf der Couch sitzen und Rambo beginnt, Ihren Mann anzuknurren, denken Sie dann vielleicht Sachen wie „alles gut, ist ja nur das Herrli" und streicheln Sie ihn vielleicht auch noch? Denn so bestätigen Sie Rambos Verhalten un­bewusst.

Das Knurren einfach zu ignorieren ist jedoch auch keine Lösung, da das Aggressionsverhalten zur Ausschüttung von Stresshormonen, sowie der Beißvorgang zur Produktion von Endor­phinen führt. Dadurch wird das Verhalten durch körpereigene Mechanismen selbst verstärkt. Das Training muss also diesen Teufelskreis durchbrechen, damit sich langfristig Erfolg einstellen kann.

Leider kann ich Ihnen in der aktuellen Kolumne keinen konkreten Trainingsratschlag geben, da es zu viele ungeklärte Fragen gibt: Ist Rambo „Ihr" Hund? Erledigen Sie alles mit ihm, also füttern, Gassi gehen, streicheln etc.? Wie steht Ihr Mann zu Rambo? Wie ist das gesamte Gefühl, die Stimmung bei Ihnen zu Hause? Streiten Sie vielleicht manchmal mit Ihrem Mann wegen Rambo? Die Ursache von Rambos Couch-­Verhalten kann in Ihrer kurzen Schilderung der Situation nicht gefunden werden, weshalb es fachlich fahrlässig wäre, einen Trainingsansatz zu erklären. Es ist also essenziell, dass Sie eine qualifizierte ausgebildete Fachkraft aufsuchen, die mit Ihnen gemeinsam die Situation begutachtet, fachlich fundiert bearbeitet und das Training anleitet.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie viele positive Trainingserfolge und zukünftig gemütliche GEMEINSAME Stunden auf der Couch!
Ihre Yvonne Adler