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Ware Hund – Welpenhandel D

Täglich werden Hunderte, teils todkranke und viel zu junge Hundewelpen illegal durch ganz Europa geschleust und an ahnungslose Menschen verkauft. Lesen Sie die Hintergründe zu diesem skrupellosen Millionengeschäft.

Es ist eine Entscheidung für Verantwortung, Pflicht­bewusstsein und Liebe, für die nächsten mehr als zehn Jahre – jene, einen Hundewelpen in die Familie zu holen. Was für ein Tag, an dem man dieses kleine Fellknäuel auf vier Pfoten nach Hause holt! Was für ein Schock, wenn es sich nach wenigen Stunden bis Tagen als todkrank entpuppt. Was für die Käufer zumeist aus Mitleid als Kofferraumkauf auf einem Parkplatz beginnt, ist in Wahrheit ein florierendes, skrupelloses Millionengeschäft – mit Lebewesen. „Illegaler Welpenhandel bedeutet organisierte Kriminalität, die nur durch ein funktionierendes, europaweites Netzwerk möglich ist und damit mafiöse Strukturen aufweist", erklärt Irina Fronescu von Vier Pfoten. „Zu den Beteiligten gehören die Vermehrer, die Transporteure, die Zwischenhändler, die Verkäufer und jeder, der dieses Geschäft wissentlich unterstützt. Nicht selten sind auch Tierärzte involviert. Manchmal handelt es sich jedoch auch um kleinere Züchter bzw. Händler, die häufig kranke Tiere zu Schnäppchenpreisen auf Internetportalen anbieten." Meist können Geschädigte aber auch nur gegen Letztere gerichtlich vorgehen, denn die anderen fungieren meist unter falschen Angaben und sind nach dem Verkauf wie vom Erdboden verschluckt.

Rund 200.000 Welpen aller gängigen Rassen werden laut Schätzungen pro Jahr in den deutschsprachigen Raum geschleust. „Produziert" werden sie vorwiegend in osteuropäischen Ländern wie Ungarn, Tschechien, Polen und der Slowakei; für den UK-Markt auch in sogenannten „Puppy Mills" in Irland und Wales. Die Mutterhündinnen sind nichts mehr als lebendige Gebärmaschinen – ihr Leben lang eingesperrt in Vermehrerstationen. Zweimal jährlich werden sie gedeckt. Kommt eine Hündin eines seriösen Züchters auf drei bis vier Geburten in ihrem Leben, sind es bei jenen von Vermehrern rund viermal so viele. Ist eine Hündin zu alt, zu krank, zu schwach oder einfach zu geschunden, wird sie ausgesondert – meist erschlagen. Ihre Welpen verbringen die ersten Lebenswochen in völlig verschmutzten Ställen, inmitten von Müll und ihren eigenen Fäkalien. Nicht selten sind sie bleibend ­gesundheitlich und psychisch geschädigt – falls sie die ersten Tage bei ihren neuen ­Haltern überhaupt überleben. Denn eine artgerechte Unterbringung, Versorgung und medizinische Behandlung von Muttertieren und Welpen ist in der Massenzucht nicht vorgesehen. „Stattdessen vegetieren die Hunde in Kellern, Schuppen und Garagen unter schlimmsten Bedingungen vor sich hin", sagt Fronescu. „Krankheit und Tod der Tiere sind in diesem kalt­herzigen Geschäft fest eingeplant. Der Profit ist trotz allem so groß, dass er diese ‚Ausfälle‘ kompensiert." Lediglich 25 Euro zahlt die Welpen­mafia für einen Welpen, verkauft werden sie meist für 500-600 Euro. Ein verlockender Preisunterschied zu seriösen Züchtern, die dafür 1.000 Euro oder mehr verlangen. Kosten aber, von denen man ein Vielfaches in ­Tierarztbesuche stecken muss.

Die Risiken
Durchfall, Staupe und Wurmbefall ­stehen auf der Tagesordnung. Die Impfpässe sind zu 90 Prozent gefälscht: Blankopässe – mit Auf­klebern des Impfstoffes, Stempel und Tierarztunterschriften, aber ohne Namen, Geburts- und Impfdatum des Welpen. Von den gesetzlich vorgeschriebenen und eingetragenen Impfungen hat er keine einzige bekommen. „Neben den Gesundheitsproblemen weisen Welpen aus Massenzuchten häufig Verhaltensstörungen auf, die erst später sichtbar werden", sagt Fronescu. „Auch das ist eine Folge des zu frühen Trennens vom Mutter­tier, was oft schon mit teil­weise nur fünf Wochen geschieht. Dann fehlt die Prägephase der ersten acht Lebenswochen, in der die Kleinen von Mutter und Geschwistern sozialisiert werden, ihren Platz im Rudel finden und die nicht nur für das Immunsystem so wichtige Muttermilch bekommen." Zudem können traumatische Erlebnisse mit Menschen oder zu wenig Kontakt zu ihnen zu schweren Verhaltensstörungen führen – die Folge sind Angst- und Aggressionsverhalten. Ein Problem stellen auch die eingeschleppten Krankheiten dar: „Einmal abgesehen von Parasiten wie Band- und Spulwürmern sowie bakteriellen Erkrankungen aller Art, sind auch sogenannte Zoonosen, also Krankheiten, die Mensch und Tier gegenseitig übertragen können, wie Tollwut, Leishmaniose und Toxoplasmose wieder auf dem Vormarsch", erklärt Fronescu. „Genauso wie bereits als ausgestorben klassifizierte Erkrankungen, etwa Tollwut. Ohne Impfschutz verläuft sie tödlich." Daher gilt es zu bedenken: Selbst, wenn man den Hund aus Mitleid kauft, kurbelt das die Nachproduktion der nächsten gequälten Tiere weiter an. Experten schätzen, dass jedem verkauften ­Welpen fünf neue folgen.

Immenses Tierleid
Wieder wird ein halbes Dutzend viel zu junger Welpen in Käfige zusammen­gepfercht und in neutrale Kleinlaster verladen. Ihr Weg führt sie nach Deutschland, Österreich, Frankreich, in die Beneluxstaaten und sogar bis nach Spanien – jedenfalls mehrere Hundert Kilometer weit. Futter und Wasser sind während der Fahrt so gut wie nicht vorgesehen – denn das würde Zeit kosten. Im Zielland kommen die Welpen somit völlig verängstigt und verschmutzt an, da sie ja auch keine Gelegenheit bekommen, ihre Notdurft zu verrichten. Die überlebenden Welpen werden nun dem Händler übergeben – ebenfalls in verrosteten Drahtkäfigen oder durchweichten Kartons und unter mangelhafter Hygiene. Interessierten wird vorgegaukelt, dass der Kleine eben noch nicht stubenrein sei oder gerade noch rechtzeitig gerettet wurde. In wem wecken diese und ähnliche Szenen kein Mitleid? Doch spielen die Händler aus purem Eigennutz mit dem Mitgefühl – je jünger ein Welpe, umso eher wird ihn ein tierlieber Mensch „retten". Doch ein klares Nein zu Tieren aus zweifelhaften Quellen wie dem Internet oder gar von Parkplätzen ist die einzige Möglichkeit, dieses kriminelle Geschäft einzudämmen.

Unseriöse Tricks
Vielfach ist es den Menschen nicht bewusst, dass sie im Begriff sind, den illegalen Welpenhandel zu unterstützen. Doch eines steht fest: Der Großteil der im Internet angebotenen Welpen stammt aus osteuropäischen Vermehrerstationen – getarnt durch falsche Angaben zu liebevoller Aufzucht im Familienverband und manipulierte Fotos glücklicher, zufriedener Welpen. Außer einer Handynummer finden sich meist keine Angaben zu dem Anbieter. Wer anruft, hört fadenscheinige Ausreden, warum man sich an einem neutralen Ort treffen muss – sei es ein Umzug, ein wütender Ehemann oder einfach der komplizierte Anfahrtsweg. Die meisten Betroffenen reagieren erst, wenn sie vor dem Anbieter und dem zitternden, ungepflegten Fellknäuel stehen. Doch ist es dann bereits meist um einen geschehen … „Sollte man verdächtige Inserate im Internet entdecken, sofort via Melde-Button an den Betreiber der Plattform melden oder einen Screen­shot davon an Vier Pfoten schicken", rät Fronescu. „Illegale Tierhändler wie Straßenverkäufer sollte man sofort den Behörden melden – in Wien dem Veterinäramt (MA 60) und in den ­Bundesländern den Amtstierärzten. Bei Gefahr in Verzug sollte man direkt die Polizei alarmieren!"

Zusammenarbeit mit der Polizei
Seit Längerem kämpft Vier Pfoten zusammen mit der Stadt Wien und der Wiener Polizei gegen den illegalen Welpenhandel. Es konnten zahlreiche illegale Welpenhändlerinnen und -händler aufgedeckt und angezeigt werden. Bei öffentlichem Feilbieten von Hundewelpen wird die Polizei verständigt. Sie muss den Amtstierarzt beiziehen, der die Tiere dann konfiszieren darf. Anschließend wird ermittelt, denn schließlich geht es häufig um gewerbsmäßigen Betrug und Tier­quälerei.

Zudem werden seit Jahren inter­nationale Kampagnen gegen den illegalen Welpenhandel durchgeführt. Im Rahmen derer wird Aufklärungsarbeit geleistet und Lobbying auf ­nationaler und EU-Ebene betrieben. Auch Scheinkäufe, Aufdeckungen von illegalen Händlern, Razzien in Vermehrerstationen und Beschlagnahmungen von Hundewelpen und Muttertieren werden in Zusammenarbeit mit den Behörden durchgeführt. Vermittelt dürfen die Tiere aber erst werden, wenn sie dem Vermehrer gerichtlich entzogen wurden – und das kann bis zu zwei Jahre dauern. Nicht selten müssen die Tiere auch einfach wieder zurückgegeben werden. Denn Korruption gehört zur Tagesordnung. Strengere Gesetze wären also wünschenswert. Derzeit sind die Strafen für Telefonieren am Steuer höher als jene für Vermehrer und Händler. „Bezüglich illegalem Welpenhandel wenden sich aber immer mehr Bürger an uns", sagt Fronescu. „Sie möchten uns auf ge­wisse unseriöse Inserate aufmerksam machen oder erzählen uns Geschichten von Opfern dieses Geschäftes. Das zeigt, dass die Öffentlichkeitsarbeit eine Wirkung erzielt und immer mehr Menschen sich dieser Problematik bewusst sind."

Erste Erfolge
Die Stadt Wien hat die Machenschaften im Internet auch mit einer großangelegten Studie begleitet, die nach einem Jahr klar aufzeigt: Tierinserate haben generell stark abgenommen. So sind die Inserate in Wien zu Hunden in einem Jahr um fast 39 Prozent zurückgegangen – zurückzuführen auf massive Öffentlichkeitsarbeit, Scheinkäufe und daraus resultierende Anzeigen. Im Jahr 2012 konnte ein Welpenhändler-Pärchen überführt werden, das 2014 zu je zwei Jahren Haftstrafe wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs und Tierquälerei (noch nicht rechtskräftig) verurteilt wurde. Es soll Welpen aus der Slowakei bezogen und im Internet als Rassehunde angeboten haben. Ein Schritt in die richtige Richtung. Doch schon Anfang Februar wurden wieder zwei Brüder verhaftet, die in der Praterstraße Welpen zum Verkauf angeboten haben. In einem Kofferraum wurden sechs sehr junge Bulldoggen und Möpse entdeckt. Die Polizei ermittelt.

„Für die Zukunft hoffe ich, dass sich immer mehr Menschen bewusst werden, dass ein Hund keine Ware ist, die man spontan im Geschäft kauft oder im Internet bestellen kann", sagt Irina Fronescu. „Tiere sind fühlende Wesen und Lebensbegleiter, die viel Verantwortung bedeuten. Wenn man sich entschließt ein neues vierbeiniges Familienmitglied aufzunehmen, sollte man sich zuerst in Tierheimen umsehen oder sich gut informieren und einen seriösen Züchter be­suchen. Die Nachfrage bestimmt das Angebot, und das ist der einzige Weg, lang­fristig den illegalen Welpenhandel und das damit verbundene Tierleid zu beenden."

Hintergrund:
Typische Merkmale von illegalem Welpenhandel auf einen Blick

■ Öffentliches Feilbieten ohne die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen

■ Welpen werden, entgegen gesetzlichen Voraussetzungen, zu jung vom Muttertier getrennt – vor der vollendeten 8. Lebenswoche

■ Welpen werden in Massenvermehrungsstationen unter katastrophalen hygienischen Bedingungen produziert

■ Hunde, die aus dem Ausland stammen, wurden aufgrund des geringen Alters noch nicht gegen Tollwut geimpft und entgegen EU-Recht über die Grenze verbracht

■ Tiere mit Tollwutimpfung, jedoch vor dem Einsetzen des Impfschutzes (21. Tage nach Impfung) werden über die Grenze verbracht

■ Hunde sind beim Verkauf weder gechippt noch registriert

■ (Ausländische) Hunde werden ohne (EU-) Impfpass oder mit mangelhaftem/gefälschtem Impfpass verkauft

■ Tiere leiden beim Verkauf bereits an Krankheit/Parasitenbefall

■ Tiere mit in Österreich ­unerlaubten Eingriffen (kupierte Ohren/Schwanz) werden zum Verkauf angeboten

■ Tiere mit Qualzuchtmerkmalen werden zum Verkauf angeboten

Hintergrund
Die rechtliche Lage rund um ­illegalen Welpenhandel
Deutschland

■ Nach dem Tierschutzgesetz braucht derjenige, der gewerblich mit Tieren ­handeln will, eine Erlaubnis der zuständigen Behörde (Veterinäramt).
Seit August 2014 sind außerdem das Verbringen und die Einfuhr von Wirbeltieren nach Deutschland gegen Entgelt sowie die entgeltliche Vermittlung der Abgabe solcher Tiere erlaubnispflichtig.

■ Für die Haltung von Hunden gilt ergänzend die Tierschutz-Hundeverordnung. Ein Welpe darf nach dieser Verordnung erst im Alter von über 8 Wochen vom Muttertier getrennt werden. Auch im Hinblick auf den Transport der Hunde existieren einschlägige tierschutzrechtliche Anforderungen, um das Wohl­befinden der Tiere während des Transportes zu gewährleisten.

■ Außerdem gibt es tierseuchenrechtliche Vorgaben, die beim Handel mit Hunde­welpen zu beachten sind. So dürfen Hundewelpen aus anderen EU-Mitgliedstaaten nur dann nach Deutschland verbracht werden, wenn sie mit einem Mikrochip gekennzeichnet sind und eine gültige Tollwutschutzimpfung besitzen. Beides muss in einem EU-Heimtierausweis eingetragen werden.

■ Darüber hinaus muss die Gesundheit des Tieres 24 Stunden vor dem Transport von einem dafür zugelassenen Tierarzt in einem speziellen Gesundheitszeugnis bestätigt werden. Da die Tollwutimpfung in der Regel erst im Alter von drei Monaten durchgeführt wird und es danach 21 Tage dauert, bis ein gültiger Impfschutz erreicht wird, können Hundewelpen aus tierseuchenrechtlichen Gründen erst in einem Alter von ca. vier Monaten nach Deutschland verbracht werden. Das Verbringen dieser Tiere ist dem für den Empfangsort zuständigen Veterinäramt über das elektronische Meldesystem TRACES anzukündigen.

EUJeder Hund, der zwischen Mitgliedsstaaten der EU transportiert wird, ­benötigt einen EU Heimtierausweis, die Tollwutimpfung und muss mittels Microchip gekennzeichnet sein. Es wird differenziert zwischen gewerblichem und privatem Transport. Bei ersterem gelten strengere Vorschriften.

Buchtipp
Die Welpenmafia – Wenn Hunde nur noch Ware sind
Von Christopher Posch, Gerda Melchior und Volker Schütz

Täglich werden in ganz Europa Hunderte mit teils gefährlichen Krankheiten infizierter Hundewelpen an ahnungslose Menschen verkauft. Bei den skrupellosen Vermehrern gilt ein Hundeleben nicht viel, die Welpenmütter sind bloße Gebärmaschinen und leben unter den unglaublichsten Bedingungen. Die Welpen werden mit vier Wochen ihren Müttern entrissen, Verluste beim Transport durch ganz Europa sind einkalkuliert. Denn der illegale Welpenhandel ist ein Millionengeschäft. Die Welpen aus Vermehrerstationen sind häufig ein ganzes Hundeleben lang gesundheitlich und psychisch geschädigt, wenn sie die ersten Tage bei ihren neuen Haltern überhaupt überleben.