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Tierheime auf dem Prüfstand – Wie gut geht’s dort den Hunden?

Es gibt Tierschutzorganisationen ohne eigenes Tierheim, die für oft aus dem Ausland geholte Hunde private Pflegeplätze suchen, häufig unter dem Motto „Wenn Du den Hund nicht aufnimmst, wird er ­getötet“. Egal, ob Pflegeplatz und Hund zusammenpassen, ­werden Hunde dort abgeliefert und Mensch wie Hund ihrem Schicksal ­überlassen. Wie die Praxis zeigt, werden dadurch aber oft Probleme nicht gelöst, sondern nur verlagert. Dass es aber auch anders geht, und Tierschutzarbeit auf dem Prinzip der Pflegeplatz-Unterbringung gut funktionieren kann, zeigt die Initiative „Die Tiroler“.

Viele Tierschutzorganisationen arbeiten auf der Basis von Pflegeplätzen. Es sind vor allem kleinere Organisationen, die kein eigenes Tierheim betreiben, jedoch für Notfälle auf private Unterbringungs­möglichkeiten angewiesen sind. Die Methode, Hunde auf unbestimmte Zeit bei Privatpersonen zu platzieren, bietet viele Vorteile, allerdings nur dann, wenn Pflegeplatz und Pflegehund harmonieren.

Leider gibt es einige ­Organisationen, die via Internet, Inserat oder ­Aushang unter dem Motto „Wenn Du ­diesen Hund nicht aufnimmst, wird er ge­tötet“ nach Pflegeplätzen Ausschau halten. Oft ist von ein, zwei Wochen die Rede, aber das Tier wird nach Ablauf der Frist nicht mehr abgeholt. Oder Beschreibung des Hundes und tatsächliches Verhalten driften völlig auseinander. Oder der Pflegeplatz ist einfach ungeeignet, weil nicht bereit, auch auftretende Probleme wie Unsauberkeit, Hektik oder Ängste in Kauf zu nehmen.

Krambambuli-Effekt
Nicht selten stimmen Menschen spon­tan zu, einen Pflegehund zu übernehmen und sind nach einigen Tagen nicht nur überfordert, sondern schwer enttäuscht, vor allem dann, wenn das Tier nicht den Erwartungen bezüglich Dankbarkeit entspricht. Der Hund müsse doch spüren und zeigen, dass es ihm jetzt besser geht als beim Vorbesitzer oder in der Tötungsstation. Dieser „Krambambuli-Effekt“ tritt vor allem dann auf, wenn Pflegeplatz-Anbieter nicht über das ­notwendige Wissen über Stress­situationen, ­Körpersprache aber auch Vorleben des Tieres verfügen. Kündigt der ­Pflegeplatz, bleibt für viele Vierbeiner nur noch der Weg ins nächste Tierheim. Ohnedies überfüllt und meist finanziell ums Überleben kämpfend, dürfen sie dann noch zusätzlich die Verantwortung für gerettete Vierbeiner anderer Organisationen übernehmen.

Inititiative „Die Tiroler“
Dass es auch anders geht und Tierschutzarbeit auf dem Prinzip der Pflegeplatz-Unterbringung wunderbar funktionieren kann, beweist die Initiative „Die Tiroler“. Eine Handvoll Hundefreunde hat es sich zum Ziel gesetzt, vor allem sogenannten Kampfhunden wieder zurück ins Leben zu helfen. Ein mutiges Unterfangen in Zeiten wie diesen, wo Rasse­listen die Integration von Bulli und Co. noch zusätzlich erschweren. Ines Parigger und ihr Team verfügen über jene Mischung aus Tierliebe, Engagement, Kompetenz, Erfahrung und Ehrlichkeit, die ein solches Unterfangen braucht, um langfristig erfolgreich zu sein. Pflegeplätze ­werden ebenso sorgfältig ausgewählt und betreut wie Interessenten für ihre Sorgenkinder, die häufig aus äußerst problematischen Verhältnissen stammen. Und: Unkastriert wird kein Tier vermittelt. Doch lassen wir Ines selbst erzählen, wie alles begann:

„Wie sind wir da bloß hineingeraten?“
„Tirol, 9 Uhr morgens, drei Anrufe in Abwesenheit. Rückruf bei dieser Telefonnummer, wieder mal ein Hund, der weg soll, schnell, am besten heute noch, man hat auf die Erziehung nicht geachtet. Er sei ihnen über den Kopf gewachsen, außerdem gehört er ja zu den angeblich gefährlichen Rassen."

Wie sind wir denn da bloß reingeraten? Wie hat das alles mal angefangen? Ich weiß es nicht mehr genau. Doch fest steht: Bonita, unsere leider mittlerweile verstorbene Pit Bull Terrier Hündin aus dem Tierheim München, hat viel dazu beigetragen. Ja, 8 Jahre sind es bestimmt schon, in denen wir viele Hunde in ein neues Zuhause begleiten konnten.

Am Anfang, da waren mein Partner Jörg und ich, meine Geschwister und unsere Mama. Durch unsere Hunde und Vermittlungen haben wir viele tolle Menschen kennen gelernt, und so wurden wir immer mehr – alle mit dem Herzenswunsch, Pit, Staff und Co. zu helfen.
Ich guck mich um, meine 3 Hunde schlafen noch friedlich. Reine Herzens­sache nennen wir das hier, Hunden zu helfen, die oftmals wegen der ­Blau­äugigkeit ihrer Besitzer büßen ­müssen. So, nun heißt es Ruhe bewahren, wen rufe ich jetzt an, um mir zu helfen. Andrea, Kathi, Karin, Babsi, Nina, Gerhard, Tanja, Mama, oder einen meiner Brüder Günther oder Christoph? Einer hat bestimmt eine Idee. Und wie so oft hatte ich recht.

Hunde am Rande der Gesellschaft
Man mag jetzt denken, wir sind ein Verein, und da sind solche Anrufe üblich. Nein, wir sind kein Verein, wir sind „Die Tiroler“. Einfach ein zusammengewürfelter Haufen Menschen, die Hunden helfen, hauptsächlich Hunden, die am Rande der Gesellschaft ­stehen, Hunden, die als unwiederbringlich gefährlich gelten oder auch sog. Kampfhunde genannt werden.

Bei uns gibt es keine Verpflichtungen. Die Kosten bezahlen wir aus eigener Tasche, jeder so viel, wie er sich leisten kann. Wir sind alle eigentlich ganz normale Menschen mit normalen Berufen wie Fahrlehrer, Studenten, Arzthelferinnen, Konditoren, KFZ-Mechaniker etc., und dennoch verbindet uns etwas – der Kampf um unsere Hunde.

Hauptproblem fehlende Erziehung
Wir haben in den letzten Jahren leider festgestellt, dass das größte Problem der Hunde meist darin besteht, dass sie schlicht und ergreifend nicht er­zogen sind. Deshalb vermitteln wir am liebsten Hunde von Veronika Schussmann, die eine Unterbringung für Hunde der „starken Rassen“ in Oberösterreich betreibt, sie erzieht und ihnen ein vorübergehendes Heim bietet. Sie kann auf eine 30-jährige Erfahrung im Erziehen und Umer­ziehen von Rottweiler, Pit, Staff & Co. zurückblicken.

„Die Tiroler“ selbst besitzen einige Hunde von Frau Schussmann. Jörg und ich leben mit zwei Boxern, Elvis und Zoe, und einer Am. Staff Hündin, ­Ginger, zusammen. Die drei harmonieren sehr gut miteinander und beweisen tagtäglich, dass Hunde Rudeltiere sind.
Und dann sind da unsere Freunde und Mithelfer wie Andrea mit Tibet Terrier Flori und Pithündin Dakota, meine hundebegabte vierzehnjährige Nichte Lisa, Christoph und Kathi mit dem Riesen Ramses, mit dem Veronika Schussmann zwei Jahre arbeitete, um sein Vertrauen Menschen gegenüber wieder aufzubauen. Da sind Horst und Lisa mit Pit Teddy und Gerhard mit Am. Staff Blue. Und Staffrüde Bounty, der mit acht Jahren zu Nina, Mario und Pitbull Eddy übersiedelte, machte doch tatsächlich noch Karriere als Therapiehund!

LKW-Fahrer Dieter teilt seine Fahrer­kabine mit Bullihündin Roxy. Und auch Karin samt Familie, immerhin drei Kinder und zwei Hunde, springt gerne als Pflegestelle ein, auch für kranke Hunde. Zu Gregor, Tanja und Appenzellermischling Luke gesellte sich Pitbull Chocolate. Bei Babsi leben Am. Staff Sheila und Jungpitbull Bambam. Sheila begleitet Babsi immer zu ihrem körperlich behinderten Bruder und spendet dort Liebe. Ronja, die weiße Am. Staffdame, kam ursprünglich als Pflegehund zu Moni und ihren zwei eigenen Hunden. Dass Moni als erfahrene Pflegemama sich zum ersten Mal nicht von einem Pflegling trennen konnte, war nicht eingeplant. Nun hilft Ronja selbst bei Pflegehunden mit.

Ja, und da sind noch meine Mutter und meine beiden Brüder ­Günther und Christoph. Bei ihnen leben ­Pitomi Mala, der alte Mischling Itzos und ­Bulli-Pensionist Leo. Ab und an ­„stören“ junge Übernachtungsgäste die Seniorenruhe. – Das sind wir und unsere Pflegestellen.

Erfahrung und Einfühlungsvermögen
Pflegeplätze sind wichtig, doch es ist nicht einfach. Man muss oft blitzschnell einspringen, und das trotz weniger bis gar keiner Angaben über den Hund. Deshalb ist es bei Pflegestellen besonders wichtig, dass sie Erfahrung, Einfühlungsvermögen und viel Geduld mitbringen. Der Vorteil von Pflegestellen liegt klar auf der Hand: geringere Hundezahl, persönliche Betreuung und bessere Beurteilung des Hundeverhaltens. Jede Pflegestelle sollte sich jedoch bewusst sein, dass sich nicht jeder Hund binnen Tagen oder Wochen vermitteln lässt. Man muss sich darauf einstellen, den Hund auch länger zu beherbergen, und dass auch die Eingliederung nicht immer problemlos funktioniert.

Da wir uns alle bewusst sind, dass Hunde ein gewisses Maß an Arbeit darstellen, mussten wir uns ­Gedanken darüber machen, wie wir unsere ­Hunde auslasten können. Das führte dazu, dass verschiedene Hundesportvereine gesucht wurden, die auch sogenannte Kampfhunde aufnehmen. Nach langer, fast erfolgloser Suche nach einem Agilityverein für Ginger wurde sie – herzlich und ohne jeg­liches Vorurteil – bei den Agility Cangaroos Tirol aufgenommen (www.agilitytirol.com), die beim Boxerklub Landesgruppe Tirol trainieren. Inzwischen trainieren dort schon einge Staffs und Pits aus unseren Vermittlungen.

Da manchen Hunden Agility nicht reicht, wurde auch nach Alternativen gesucht. Die ÖRHB Rettungshunde­staffel Innsbruck war, im Gegensatz zu anderen Rettungshundevereinen, ohne Zögern bereit, auch einen Pit Bull Terrier bei sich trainieren zu lassen. So schaffte Dakota nach einem Jahr Training die Rettungshundeprüfung mit Bravour, was ihrer Rasse, und noch dazu einem Hund mit schlechter Vorgeschichte, wohl niemand zugetraut hatte. Nun darf sie „offiziell“ Leben retten. Dank Dakotas ­Vorbildfunktion konnten drei weitere Hunde an Staffel­mitglieder vermittelt werden. Auch wenn manche Hunde nicht im Sport oder in der Rettungshunde­arbeit glänzen, so sind wir stolz auf das, was sie geschafft haben!

Wir versuchen, in Not geratenen Hunden durch Vermittlung und Spenden­sammlungen zu helfen und durch positives Auftreten das Image unserer Rassen zu verbessern. Für uns ist bei jeder Vermittlung wichtig, dass sich Interessenten bewusst sind, was es bedeutet, einen Hund verantwortungsbewusst zu halten. Dass nicht nur Liebe und der Wunsch nach einem Hund ein funktionierendes Leben mit Hund ausmachen. Es gehört viel mehr dazu, darunter auch, dass ein Hund erzogen und ausgelastet werden möchte, und das kostet nun mal viel Zeit und Nerven.

Entscheidet man sich für einen Hund, so wie wir für Pit,Staff &Co., muss man damit rechnen, dass man mit seinem Auftreten und dem Verhalten des Hundes das Urteil über eine ganze Rasse beeinflussen kann.

Ein durch uns vermittelter Hund gerät nach der Vermittlung nicht in Vergessenheit, wir bleiben in Kontakt, organisieren immer wieder Vermittlungstreffen, gemeinsame Gassigänge oder helfen in Erziehungsfragen. Bei uns zählt nicht das, was einer alleine schafft, sondern das, was aus vielen kleinen Einzelteilen zusammengesetzt werden kann. Jeder bringt das ein, was seine Zeit erlaubt, und wenn es „nur“ ein kurzer Anruf ist. Das zusammengesetzte Ganze, das daraus entsteht, ist das Wichtigste, und das bedeutet für uns den Kampf für Hunde niemals aufzugeben.“