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Vicky – ein (fast) ganz normaler Hund

Vor dreieinhalb Jahren hat der Heidelberger Charly Bender die damals 18 Monate alte Stafford Hündin Vicky in Pflege genommen – nicht wissend, dass ihm die Hündin für immer bleiben würde. Da der ehemalige Besitzer nicht mehr in der Lage war, Vicky zurück zu nehmen, und Charly Benders Kinder die Hündin ins Herz geschlossen hatten, beschloss er, Vicky zu behalten. Man verbrachte viel Zeit mit ihr, und im Büro war sie der Liebling der Kollegen. Vicky ist überhaupt zu allen Menschen freundlich und aufgeschlossen. Mit Hündinnen versteht sie sich nicht so gut, was für viele ihrer Artgenossen aber auch nicht ungewöhnlich ist.

Wesenstest „nach deutscher Art"
Um für Vicky eine Maulkorbbefreiung zu bekommen, meldete Charly Bender seine Hündin zu einem freiwilligen Wesenstest an. Neben zwei Herren vom Ordnungsamt und dem Leiter der Hundestaffel waren auch ein Tierarzt und weitere Leute anwesend. Vicky meisterte alle Tests mit Bravour, sogar den Test, bei dem eine Hündin(!) im Abstand von einem Meter an ihr vorbei geführt wurde. Anschließend bewegten sich ein Jogger, ein Radfahrer und ein Mann mit Stock mehrmals knapp an Vicky vorbei. Die Hündin blieb gelassen. Ob das Jemandem partout nicht passte? Denn der Mann mit Stock wollte es ein weiteres Mal wissen, nur lief er jetzt plötzlich direkt auf Vicky zu, stampfte anderthalb Meter vor ihr auf und riss seine Arme ruckartig hoch. Vicky – an lockerer Leine – reagierte so, wie – nach Ansicht von Verhaltensexperten – viele Hunde dies normalerweise tun: Sie sprang in die Richtung des Mannes, aber nur „in die Luft". Weder biss sie zu, noch schnappte sie, auch bellte oder knurrte sie nicht. Zwei der drei Herren von der Prüfungskommission meinten daraufhin, dass Vicky vielleicht einmal ein Kind beißen könnte, die Prüfung daher nicht bestanden sei. Dem Einwand des dritten Prüfers wurde kein Gehör geschenkt. Der ganze Vorgang drängte manchem Anwesenden den Verdacht auf, dass diese Art Wesenstest offensichtlich zur „Ausmerzung und Unterdrückung bestimmter Rassen" veranstaltet wurde. Nun, da dieser Wesenstest freiwillig war, hatte dies auch keine weiteren Folgen, eine Maulkorbbefreiung wurde nicht erteilt.

Neue Wohnung – neues Glück
Um Vicky einen Garten bieten zu können, mietete sich der alleinerziehende Familienvater eine Wohnung mit Garten und ließ im Mietvertrag die ausdrückliche Erlaubnis einer Hundehaltung vermerken. Um an diese Wohnung zu kommen, musste eine Ablöse bezahlt werden, und anschließend wurde sie kostspielig auf Kosten des Mieters restauriert. Laut Charly Bender wurde dem Vermieter auch mündlich die Rassezugehörigkeit von Vicky genannt. So weit – so gut. Bei einer der ersten Begehungen des Hauses machte Charly Bender die Bekanntschaft mit seinem neuen Nachbarn. Der 60-jährige Professor zeigte offensichtliche Angst vor Vicky, worauf Charly Bender ihm versprach, die Hündin im Stiegenhaus immer angeleint und mit Maulkorb zu führen. Auch weitere Rücksichtsmaßnahmen wurden von Charly Bender freiwillig praktiziert.

Der erste Schock
Nur wenige Wochen nach Anmietung der Wohnung erhielt Charly Bender vom Anwalt des Vermieters einen Brief, in dem er aufgefordert wurde, den Hund innerhalb von zwei Wochen vom Grundstück zu „entfernen", da man ihm nicht mitgeteilt hätte, dass es sich um einen „Kampfhund" handle. Charly Bender fiel aus allen Wolken und verstand die Welt nicht mehr. Auch an einer außergerichtlichen Klärung war der Vermieter nicht interessiert. Nebenbei sei bemerkt, dass ein Auszug für den Vermieter äußerst lukrativ gewesen wäre, da alle Investitionen vertraglich in sein Eigentum übergegangen wären. Ein gutes Geschäft also …

Vor Gericht
Der Vermieter beschritt den Klageweg. So kam es zum Prozess, bei dem verschiedene Zeugen bestätigten, dass Vicky weder im familiären Umfeld, noch im Büro, irgendwelche Auffälligkeiten oder Aggressivität zeigte. Selbst der Nachbar von Charly Bender, der als Zeuge des Klägers (!) geladen war, sagte aus, dass die Hündin ihn nie bedroht habe und auf ihn seitens des Hundehalters immer große Rücksicht genommen worden sei. So gewann der Hundehalter folgerichtig auch den Prozess – in erster Instanz. Der Richter war der Auffassung, dass Charly Bender seiner Sorgfaltspflicht genügend nachkomme.

Zweite Instanz
Durch eine sog. „Streitwertbeschwerde" schaffte es der Vermieter, eine Berufungsverhandlung durchzusetzen. Da Charly Bender Angst hatte, dass bei der zweiten Verhandlung der freiwillige, aber nicht bestandene, Wesenstest zur Sprache kommen könnte, hatte er die Hündin von der bekannten Tierpsychologin und Verhaltensexpertin Dr. Feddersen-Petersen noch einmal überprüfen lassen. Erwartungsgemäß fiel das Gutachten durch die nun fachlich kompetent durchgeführte Überprüfung positiv aus. Aber: Trotz des positiven Gutachtens einer renommierten Expertin verlor Charly Bender diesen Prozess. Begründet wurde dies vom Richter der zweiten Instanz, dass für den Mieter, der im Stock unter Charly Bender wohnt, eine passive Bedrohung bestünde, da er aufgrund von Medikamenteneinnahme Bluter sei. Dem klagenden Vermieter wurde gestattet, die im Mietvertrag ausdrücklich erteilte Erlaubnis zur Haltung eines Hundes zu widerrufen.

Letzte Frist – und aus!
Vom Anwalt des Vermieters wurde schließlich eine Frist bis zum 31.12.2001 gesetzt. Bis zu diesem Tag muss Vicky aus der Wohnung „entfernt" sein. Alle Versuche, ein neues Zuhause für Vicky zu finden, scheiterten, da die mittlerweile weltweit berüchtigten deutschen Rassengesetze dies nicht mehr zuließen. Ein persönliches Gespräch mit dem Vermieter, bei dem Charly Bender mit letzter Kraft um seine Hündin Vicky kämpfte, blieb erfolglos. Jegliche Bitte um Fristverlängerung oder Aussetzung der Vollstreckung, bis Vicky vermittelt sei, wurde vom Vermieter abgelehnt. Obwohl der Vermieter selbst Kinder gleichen Alters hat, meinte er nur eiskalt, dass Charly Bender’s Kinder dies schon verstehen würden.
Die Abgabe in eine der berüchtigten deutschen „Hundesammelstellen" war und ist für Charly Bender ausgeschlossen. Gegenüber WUFF sagte er: „Alles in allem habe ich das Urteil bereits schweren Herzens akzeptiert und dass wir für Vicky ein neues Zuhause suchen müssen. Aber sie jetzt zu töten, bräche mir das Herz. Ich habe so lange für Vicky gekämpft, und ich bin am Ende meiner Kräfte, verzweifelt und ratlos."