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Die „vergessene“ 1

In einer immer komplexer werdenden Lebenswelt liefert uns die Statistik eine Hilfe zur Orientierung. Sie sollte über wichtige Sachverhalte aufklären und Entwicklungen sichtbar machen. Statistik dient der Planung, Entscheidungsvorbereitung und der Evaluation von getroffenen Maßnahmen. Wie beispielsweise bei der am 28.6.2000 in Kraft gesetzten neuen Hundeverordnung von Schleswig-Holstein. Da wollte im Antrag an den Schleswig-Holsteinischen Landtag vom 29.4.2002 Dr. Heiner Garg (FDP) von Innenminister Klaus Buß (SPD) wissen, welche Ergebnisse der bisherige Vollzug der „Gefahrhundeverordnung“ gebracht hätte. Unter den 9 konkreten Fragen an den Innenminister befand sich auch folgende: „Welche Beißunfälle und in welcher Schwere sind durch welche Hunderassen in Schleswig-Holstein (S-H) 12 Monate vor und 12 Monate nach Inkrafttreten der Gefahrhundeverordnung registriert worden?“
Minister Klaus Buß wies in seiner Anfragebeantwortung vom 11.6.2002, die WUFF schriftlich vorliegt, darauf hin, dass „vor dem Jahr 2001 keine Statistiken über Vorkommnisse mit Hunden geführt“ worden seien. Zahlen darüber sind erstmals für das Jahr 2001 erhoben worden. Und diese präsentiert Innenminister Buß in einer Statistik, die akribisch für jede Rasse und deren jeweilige „Kreuzungen“, sowie zusätzlich für „Mischlinge“ exakte Zahlen angibt. Inwieweit ein Unterschied zwischen „Kreuzungen“ und „Mischlingen“ besteht, und zu welcher Rasse bei „Kreuzungen“ der Hund in der Beißstatistik dann eingeordnet wird, ist dort nicht weiter ausgeführt.

Beiß-Statistik
So wird beispielsweise angegeben, dass der Pitbull Terrier im Jahre 2001 in Schleswig-Holstein viermal einen Menschen verletzt habe und Kreuzungen mit dem Pitbull Terrier dreimal. Oder etwa der Deutsche Schäferhund 50 mal Menschen verletzt habe und seine Kreuzungen 26 mal, sowie Mischlinge 46 mal. Aus welchen Rassen die Mischlinge stammen, bleibt unklar, aber aufgrund der großen Populationsdichte des Deutschen Schäferhundes ist dieser auch bei Mischlingen nach Aussagen von Experten am stärksten vertreten. In der Spalte der Statistik, in welcher die Anzahl der durch einen Hundebeißunfall getöteten Menschen angegeben ist, ist für das Jahr 2001 die Zahl 1 vermerkt und zwar unter „Mischling“. D.h. nach der von Innenminister Buß zur Verfügung gestellten Statistik gab es 2001 einen menschlichen Todesfall durch einen Hund, und dieser Hund sei ein Mischling gewesen.

Wird in der Beiß-Statistik gelogen?
Das läßt aufhorchen! Lügt die Statistik und damit – sicherlich nicht beabsichtigt – Innenminister Buß? Wir erinnern uns doch noch an den schrecklichen Vorfall in Lutzhorn, bei dem am 6. August 2001, also im Berichtszeitraum von Innenminister Buß, die 11-jährige Kristina nicht von einem Mischling, sondern von einem Deutschen Schäferhund getötet (nach Aussagen eines Polizisten „regelrecht skelettiert“) wurde. Der Beamte Stefan Hinrichs von der Polizei Schleswig-Holstein West teilt in einer – unüblicherweise erst 1 Tag später (!) herausgegebenen – Presseerklärung das Unglück der Öffentlichkeit mit. In dieser offiziellen Erklärung ist von einem „3-jährigen Schäferhund“ die Rede. Gleiches berichtet dann auch die Deutsche Presseagentur dpa. WUFF hat den Fall seinerzeit genauer recherchiert und in der Ausgabe 9/2001 die Ergebnisse der Recherche veröffentlicht. In der folgenden Ausgabe 10/2001 behandelte WUFF darüber hinaus die Frage, warum die Zeitung „BILD“, die sonst alles, was nur irgendwie nach Hund (und da insbesondere „Kampfhund“) „riecht“, ins Schlaglicht auf die Titelseite zerrt, gerade diesen schrecklichen Todesfall eines Kindes aber gerade mal ganz klein auf Seite 8 bringt (siehe oben).
Da die Gefährlichkeit eines Hundes nicht primär Sache seiner Rasse ist, wäre diese an sich ja auch nicht prinzipiell von größerem Interesse. Zum Interesse wird die Rassebezeichnung aber vor allem dann, wenn einerseits auffällt, dass gewisse Medien in der Berichterstattung über Hundebeißunfälle sehr wohl einen (sehr großen!) Unterschied in der Rasse machen, und wenn es andererseits um eine konkrete Beiß-Statistik geht, wie in unserem Falle die von Schleswig-Holstein für das Jahr 2001, in der akribisch genau alle Rassen, deren „Kreuzungen“ und Mischlinge aufgeführt werden.

Das sagt der SV
Dass es sich bei dem tödlichen Beißunfall in Schleswig-Holstein um einen Deutschen Schäferhund handelte, stand von Anfang an außerhalb jeder Diskussion. Nicht nur die Polizei sprach davon, auch alle weiteren Recherchen, die WUFF durchführte, bestätigten dies. Der Zwingername des Hundes ist bekannt, und Reiner Voltz, Referent für Öffentlichkeitsarbeit des SV (Verein für Deutsche Schäferhunde), trifft in der WUFF zugespielten internen „Eilinformation“ vom 7. August 2001, 18 Uhr, unter anderem folgende Aussage: „Die Recherchen haben ergeben, dass der Besitzer des Schäferhundes ein durchaus verantwortungsbewusstes und besonnenes SV-Mitglied ist und es sich bei dem betreffenden Hund um einen in unserem Verein gezüchteten Deutschen Schäferhund handelt.“

Gefilterte Statistik für Hundebeißunfälle?
Nun zurück an den Anfang dieses Artikels, die Beantwortung der Anfrage des Politikers Dr. Garg (FDP) durch Innenminister Buß (SPD) und dessen – sagen wir es wohlmeinend – nicht ganz korrekte Statistik. Da stellen sich nämlich einige harte Fragen an den Innenminister: Warum ist der tödliche Beißunfall der 11-jährigen Kristina durch den Deutschen Schäferhund „Zaro“ in Lutzhorn nicht in die Statistik aufgenommen worden? Oder ist der angegebene Todesfall durch einen Mischling in Wahrheit dieser Todesfall von Lutzhorn? In diesem Falle müsste die Statistik gefälscht worden sein, denn die Rasse war allen Beteiligten eindeutig bekannt! Da war niemals die Rede von einem Mischling gewesen. Wenn die Statistik dann also gefälscht wurde, stellt sich die Frage, wer dies getan haben könnte. Wie vertrauenswürdig sind eigentlich Grundlagen, auf die unsere Politiker ihre politische Arbeit über die Hundehaltung aufbauen, wenn schon eine einfache Aufzählung von Vorkommnissen mit Hunden einen derart gravierenden Fehler aufweist?
Zu diesem Thema passt auch der Umstand, dass in den deutschen Medien, die doch jeden – auch noch so geringsten – Beißunfall sofort auf die Titelseite zerren, gerade bei diesem Todesfall in Lutzhorn äußerst zurückhaltend vorgegangen wurde. Das ist übrigens sogar der deutschen Polizei aufgefallen, die in einem ihrer Organe schreibt: „In unserer Gesellschaft gibt es unbestritten viele Menschen, die Angst vor Hunden haben, und weitere, die durch eine „gefilterte“ Berichterstattung der Presse der festen Überzeugung sind, dass eben nur ganz bestimmte Rassen auffällig werden. Als Beispiel für die „gefilterte“ Berichterstattung wird auf einen Vorfall vom 07.08.2001 in Lutzhorn verwiesen. Dort hatte ein Schäferhund ein 11-jähriges Mädchen getötet. Da dieser Unfall nicht in das Muster der Presse passte, tauchte er lediglich als kleiner Artikel in der Tageszeitung auf.“ (Zitat aus „Deutsche Polizei“, Ausgabe 1/2002, Seite 30).

Frage an Innenminister Buß
Die konkrete Frage lautet nun: Warum wird der Todesfall in Lutzhorn durch einen Deutschen Schäferhund in einer offiziellen Statistik, die Innenminister Buß dem Schleswig-Holsteinischen Landtag präsentiert hat, verschwiegen? Oder handelt es sich bei dem einzigen angegebenen Todesfall (laut der von Buß vorgelegten Statistik ein Mischling) um diesen Lutzhorner Vorfall? Dann wäre der Deutsche Schäferhund „Zaro“ zu einem Mischlings mutiert. Das wäre dann aber erst recht eine Fälschung! Wer ist dafür verantwortlich? Die Antwort erfahren Sie (hoffentlich) im nächsten WUFF, möglicherweise auch schon früher auf der WUFF website: www.wuff.at