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Wenn Hunde auf der Strecke bleiben …

Hunde sind ein Kompliment an die Natur. Sie sind keine Sportgeräte. Diesen schönen Satz sagte kein Geringerer als Olivier Favre, erfahrener Musher und Bergführer, dessen Erfahrungen bei Schlittenhunderennen international geschätzt werden. Faszination, Respekt und echte Begeisterung finden in diesem knappen Statement ihren Ausdruck. Eine Begeisterung, die all jene teilen, die vom Schlittenhund-Virus befallen sind und jede Minute Freizeit in ein Hobby stecken, das viel persönlichen Einsatz abverlangt. Der Faszination der laufenden Hunde erliegen jährlich tausende heimische Zuschauer, denn auch Österreich und Deutschland haben sich längst als Schauplätze anspruchsvoller und bekannter Schlittenhunderennen etabliert.

Ehrgeiz auf Kosten der Hunde?
Doch seit einigen Jahren droht dem bisher sehr positiven Image der ­Schlittenhunde-Veranstaltungen ein ­Ein­bruch durch Vorfälle, die nachdenklich stimmen.
Übersteigerter Ehrgeiz einzelner ­Musher führte wiederholt zu Szenen, die nur wenig publikumsfreundlich aufgenommen wurden. Hardliner statt ­Kuschel­kurs, ausgebrannte und überhitzte Hunde, Hunde, die hart am Limit laufen, Hunde, die nach dem Rennen nie wieder ­auf­standen. Ein Ereignis in Annaberg führt jetzt zu heftigen ­Diskussionen und zeigt, wie sehr es brodelt in der Szene.

Was ist passiert?
Am 19. und 20. Januar 2008 veranstaltet der Burgenländische Schlittenhundesportclub ein Rennen in Annaberg. Es ist relativ warm, der Schnee matschig, die Luftfeuchtigkeit hoch, nach Ansicht von Insidern keine idealen Rennbedingungen. Im Zielbereich ­taumelt laut Augenzeugenbericht ein Hund des niederösterreichischen ­Mushers Manfred K. und geht wiederholt zu Boden. Anstatt den Hund aus dem Gespann zu nehmen und in den dafür vorgesehenen Schlittensack zu laden, soll der Musher den er­schöpften Hund jedes Mal wieder auf die Beine gestellt haben und ­weiter­gefahren sein. Als der Hund erneut zu Boden geht und mit steif vom Körper gestreckten Beinen liegen bleibt, soll er vom Gespann eine kurze Strecke mitgeschleift worden sein, bevor der Musher den Schlitten stoppt. Der Hund kann nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen. Die Besucherin Heidi Larcher, ­selbst seit vielen Jahren aktiv im Schlittenhundesport tätig, verlangt, dass der am Boden liegende Hund in den Schlittensack geladen und veterinärmedizinisch betreut wird. Ein hitziges Wortgefecht entsteht, ­Manfred K. lädt den Hund schließlich auf den Schlitten. Heidi Larcher wird von Verantwortlichen ermahnt, nicht so viel Aufsehen zu erregen, um dem Schlittenhundesport nicht zu schaden.

Übersteigt Toleranzgrenze
Heidi Larcher lässt sich nicht einschüchtern: „Ich hatte schon beim ­ersten Hinfallen des Hundes nicht verstanden, warum der Musher ihn nicht in den für solche Fälle vorgesehenen Schlittensack gepackt hatte. Als Herr K. wieder auf den Schlitten stieg und den Hund vom Gespann mitschleifen ließ, überschritt er nicht nur die gesetzlichen Vorgaben zum ­wieder­holten Male, sondern auch die Toleranzgrenze jedes echten Tierfreundes. Also ging ich in den Zielraum.“ Ein Tierarzt wurde laut Heidi Larcher nicht angefordert, der Hund blieb angeblich mehr als eine halbe Stunde am Boden liegen. „Ich fragte wieder nach dem Tierarzt, und der örtliche ­Verantwort­liche erklärte mir, dass es Sache des Mushers wäre, einen Tierarzt ­an­zufordern, was aber falsch ist. Es gibt Rennregeln und gesetzliche Vorschriften, die klar definiert sind.“

Vorwurf Nestbeschmutzung
Es sollte sich herausstellen, dass an diesem Tag gar kein Tierarzt vor Ort war, sondern nur ein Tierarzt im Bereich Lilienfeld auf Abruf zur ­Ver­fügung stand. Dafür regnet es jede Menge verbaler Angriffe gegen die Hundesportlerin Heidi Larcher, die Vorwürfe der „Nestbeschmutzung“ und der „Schädigung des Ansehens des ­Schlittenhundesports“ über sich ­er­gehen lassen muss. Der Vorfall erregt Aufsehen und gelangt an die Öffentlichkeit. Gegen Manfred K. wird einige Tage nach dem Rennen Anzeige wegen Tierquälerei erstattet, und im ­Österreichischen Sporthundeforum (www.sporthundeforum.at) entsteht eine heiße Diskussion. Auch hier muss sich Hundetrainerin Heidi Larcher anfangs einiges gefallen lassen.
Ihre Schilderung des Vorfalls wird sogar ins Reich der Gebrüder Grimm ­ver­wiesen. Ein PR-­Profi der ­Schlitten­hundeszene versucht den Vorfall sofort zu bagatellisieren und behauptet, der Hund wäre in gutem Zustand und bereits am nächsten Tag wieder gelaufen. Eine Behauptung, die er jedoch später wieder revidieren muss.

Schlittenhundesportler nehmen Stellung
Zunehmend melden sich andere Schlittenhundesportler zu Wort, deren ehrliches Bemühen um eine sachliche und konstruktive Kritik nicht zu überlesen ist. So auch der niederösterreichische Musher Reinhard Monschein, der selbst seit vielen Jahren in der Rennszene beheimatet ist. Er warnt, dass es diesen Sport, dem er seit langem mit viel Engagement verbunden ist, nicht mehr lange geben kann, wenn nicht transparent gearbeitet wird und konstruktive Kritik als Basis für Weiterentwicklung erlaubt ist. „Ich ver­urteile auch die Veranstalter des Rennens, da kein Tierarzt vor Ort war. Ein Tierarzt muss vor Ort sein, ob das jetzt in den FISTC-Regeln steht oder nicht. Kein Musher mit noch so viel ­Er­fahrung ist ein Mediziner. Selbst wenn der Musher Medikamente, Spritzen usw. hat, was ja auch verboten ist, und das zu Recht, darf er den Hund nicht selbst behandeln, auch zu Recht. Kreislaufzusammenbrüche, Unterzuckerung sowie Überhitzung sind absolute Notfälle und gehören ­tierärztlich versorgt, um Folgeschäden zu verhindern oder zu minimieren. Auch wenn der Amtsveterinär nach vier oder fünf Tagen die Hunde begutachtet, bringt das keine ­Auf­klärung, da dies eben nicht unmittelbar geschehen ist.“ ­Außer­dem betont der erfahrene Musher, dass es nicht üblich sei, dass ein Hund nach dem Rennen umfällt. Er be­tont mehrfach, wie wichtig es wäre, endlich über ­Vereins­grenzen hinweg sachlich zu­sammen­zuarbeiten. Diese Meinung vertritt auch eine Forums- und ­Annaberg­besucherin, die sich über die herrschende „Vereinsmetzelei“ entsetzt zeigt und auf den Punkt bringt, was vielen Schlittenhundebegeisterten auf dem ­Herzen liegt. Für sie ist es übrigens die erste Rennsaison. „Wir ­wollen alle nur sinnvoll Zeit mit unseren Hunden verbringen, alle wunder­baren Rennorte nutzen und Spaß haben.“

Über achtzehn Seiten zieht sich in dem Hundeforum das Hin und Her der ­Diskussion rund um den Vorfall von Annaberg. Administrator Georg Sticha, selbst aktiver Hundesportler und Trainer, muss mehrfach ordnend ­ein­greifen, vor allem, nachdem ein User das Forum weniger zur sachlichen Diskussion nutzen will, sondern um Heidi Larcher mit Vorwürfen zu bombardieren (siehe Kasten). Der User wird letztendlich gesperrt, nachdem er versucht hat, unter mehreren Nicknames weiter gegen Frau Larcher Stimmung zu machen.

Weitere Zeugen
Doch nicht nur Heidi Larcher fasste sich ein Herz und bezog Stellung. In der Tierecke der „Kronenzeitung“ erscheint eine kritische Kolumne von Tierschutzexpertin Maggie Enten­fellner zum Thema Annaberg. Und in der aktuellen Ausgabe der Vereinszeitschrift „Unser Tierheim“ des St. Pöltner Tierschutzvereines schildert Zuschauerin Renate W. ihre Beobachtungen beim jüngsten Schlittenhunderennen in Annaberg: „Der Hund eines Mushers ist zusammengebrochen. Am liebsten hätte ich den Hund gleich aufgehoben und in die Arme genommen – es war ein quälender Anblick. (…) Doch der Lenker hatte kein Erbarmen: Das erschöpfte, müde Tier wurde nicht – wie es sich gehört hätte – in den Schlittensack gelegt, es musste weiter laufen. Der Hund brach gänzlich zusammen und blieb liegen. Es war auch kein Tierarzt zur Stelle, um dem Husky zu helfen! (…) Zu solchen Veranstaltungen gehört einfach verpflichtend ein Tierarzt, der für die Tiere da ist, wenn solche Sachen passieren. Der Musher wurde wegen Tierquälerei angezeigt! Doch was ist die Folge? Er darf mit seinem Husky-Gespann sogar bei der Europameisterschaft der Hundeschlittenrennen mit an den Start gehen! Die Hunde können sich nicht wehren – deshalb müssen wir Tierfreunde da sein und trachten, dass solche Veranstaltungen nur unter tierärztlicher Obhut durchgeführt werden. Leider wird es immer Menschen geben, die sich nicht an die Regeln ­halten und nur den Sieg – Gewinn – vor Augen haben und nicht auch an das Wohl ihrer Hunde denken.“

Tierarzt vor Ort
Wir haben in Annaberg recherchiert und die Meinung anerkannter Experten zum Thema „Tierarzt vor Ort“ eingeholt (siehe Kästen), nicht zuletzt, weil vor einigen Jahren bereits einmal ein Hund nach einem Annaberg-Rennen im Zielbereich verstarb. Natürlich ­wurde im Sinne einer fairen ­Bericht­erstattung auch der betroffene Musher um eine Stellungnahme gebeten, eben­so der veranstaltende Verein, Vertreter der Behörden und der Dachverbände. ­
Die entstandene Diskussion um Annaberg soll nicht entzweien, sondern als Chance genutzt werden, vorhandene Defizite aufzudecken und laut über längst überfällige Verbesserungsvorschläge nachzudenken, damit das (noch) positive „Fun-Image“ einer an sich wunderbaren Sportart nicht bald endgültig in Scherben liegt.

Wie sagte Olivier Favre anlässlich eines Interviews in einer Ausgabe von x-back (Herbst 2001) so treffend über seine Erlebnisse als Mount-Everest-Bergführer mit seinen Huskys: „Da oben auf dem Berg entsteht eine Verbindung zwischen Mensch und Hund, die kein Musher bei einem Rennen zustande bringt. Man ist auf der ­gleichen Ebene.“ Bei aller Liebe zum Adrenalinstoß auf dem Renntrail ist „mir der Kampf Mensch und Hund gegen den Berg weit lieber. Da gibt es nichts Perfides. Da ist alles richtig, und man kämpft mit den gleichen Waffen. Es gibt keine Zeitmessung. Es gibt ­keinen Sieg. Es geht nicht um Meter und Sekunden. Es geht mehr um die Beziehung zwischen Mensch und Hund und zwischen Hund und Mensch.“ Wer könnte es treffender formulieren?

>>> IM ROTEN BEREICH

Überhitzung kann Schlittenhunde töten!

Bereits in einer Ausgabe des Schlittenhundemagazins x-back (2001) warnte die ­erfahrene Renntierärztin Dr. Petra Peer im Interview vor den Folgen der Überhitzung. Wir bringen auszugsweise die wichtigsten Facts des Artikels.

„Nicht immer sind beim Thema Überhitzung nur die Außentemperaturen entscheidend. Auch hohe Luftfeuchtigkeit spielt eine Rolle! Das erste Symptom einer Überhitzung ist recht eindeutig. Wenn dem Hund zu heiß ist oder er keine Luft bekommt, drückt er Schwanz und Kopf nach oben. Vorsicht! Für das ungeübte Auge kann das auch mit freudigem Wedeln verwechselt werden. Der Hund wird langsamer, er reißt das Maul weit auf, beim Hecheln sieht man tief in den Schlund hinein. Der Speichel fängt an, verstärkt zu fließen. Der Hund bremst und will nicht mehr laufen. In weiterer Folge wankt er und fällt hin. Weiters setzt die sog. Afteratmung ein. Der After geht deutlich sichtbar auf und zu. Die innere Körpertemperatur steigt weit über 39 Grad. Die Ohren und die Nase fühlen sich deutlich warm an. Es herrscht Alarmstufe rot. "Ein Hitzschlag kann zu Gehirnschäden und zum Tod führen", warnt Petra Peer. Auf die Frage nach Tipps zur Kühlung eines überhitzten Hundes empfiehlt sie den sofortigen Gang zum Tierarzt, auch wenn es den Anschein hat, dass es nach ersten Hilfsmaßnahmen dem Hund besser geht. „Nach Schockzuständen können Komplikationen wie schwere Durchfälle, aber auch Herz- und Lungenprobleme auftauchen. Das kann durch rechtzeitige tierärztliche Behandlung oft vermieden werden.“

>>> STELLUNGNAHME DER BÜRGERMEISTERIN VON ANNABERG

Bestürzt reagierte Petra Zeh, Bürgermeisterin von Annaberg, auf die Vorfälle rund um das Annaberg-Rennen:

„Sehr geehrte Redaktion! Ich habe von dem bedauernswerten Vorfall erst nach Beendigung der Veranstaltung erfahren und natürlich sofort Kontakt mit dem Amtstierarzt aufgenommen. Ich muss dazu sagen, dass ich selbst Hundebesitzerin bin und mir das Verhalten des Mushers unerklärlich ist. Sieg darf meiner Meinung nie auf Kosten der Gesundheit der Hunde gehen. Herr Dr. Fallmann versicherte mir, dass er sofort rechtliche Schritte gesetzt hat und Herr Manfred K. mit ­recht­lichen Konsequenzen rechnen muss. Sollte sich dabei eine Schuldzuweisung ergeben, werde ich dafür ­plädieren, dass bei uns ein ­Start­verbot im nächsten Jahr – sollte eine Veranstaltung ­statt­finden – ­aus­gesprochen wird.
Liebe Grüße, Petra Zeh“

>>> WUFF – INFORMATION

Im Sporthundeforum des niederösterreichischen Hundesportlers und Hundetrainers Georg Sticha (www.sporthundeforum.at) entflammt eine heiße Diskussion um den Fall Annaberg. Als Administrator musste er mehrfach ordnend eingreifen. Im WUFF-Interview nimmt er dazu Stellung:

WUFF: Hattest Du als Admin des Forums den Eindruck, dass tierschutzrelevante Vorfälle von Seiten einiger User bewusst bagatellisiert wurden?
Sticha: So ist es. Speziell User aus dem Bereich des NSSV und AMCG bestritten den Vorfall. In ihrem Forum schrieben sie: „Zum Vorwurf, dass am Annaberg Tiere gequält wurden und gegen den Tierschutz verstoßen wurde, hier mal eine Berichtigung: ­Manfred K. kam mit seinem Hund (der einen Schwächeanfall erlitten hatte) auf dem Schlittensack liegend in den Zielbereich und fuhr dann sichtbar für uns vorbei zu ­seinem Stake-Out-Platz. Als Manfred das Gespann (Klasse 0–10 Hunde) mit den ­verbleibenden 9 Hunden dort anhielt, stieg der betroffene Hund VON ALLEINE vom Schlitten runter, ging ca. 1 ½ Meter weiter und legte sich in den Schneematsch, nicht in die Wasserpfütze! Der Hund hatte den Kopf OBEN und lag ganz ruhig da und ruhte sich aus! Manfred und Angelika spannten einstweilen die restlichen Hunde aus und hängten sie ins Stake-Out, damit das Gespann nicht unkontrolliert wegfahren konnte. Jene Person, die den Schwachsinn verbreitet, der Hund ist vom Schlitten in die Wasserpfütze gefallen, wo er einfach liegen gelassen wurde, ohne dass sich jemand um ihn kümmerte, hätte zum Beispiel ja helfen können, die anderen Hunde mal zu sichern, an­statt Unruhe zu stiften! Es gab nichts zu beanstanden, dem Hund geht’s gut, und alles ist in Ordnung!“ Per PN versuchten mich User gegen Heidi Larcher zu beeinflussen.
WUFF: Du hast Dich als Admin mehrmals mahnend in den Verlauf der Diskussion eingebracht. Warum?
Sticha: Weil offensichtlich gewisse User mit unlauteren Mitteln und Diskreditierungen versuchten, die Tierschützer in die Ecke der Unglaubwürdigkeit zu drängen, und weil mich beim Anblick des Fotos der Hund erbarmte. Auf Fairness bedacht habe ich natürlich um einen Beweis (Foto) gebeten, und als ich das Foto erhalten habe, war ich überzeugt, dass Heidi Larcher nicht gelogen hatte.
WUFF: Hattest Du den Eindruck, dass bewusst versucht wurde, Frau Larcher unlautere Motive und Unglaubwürdigkeit zu unterstellen?
Sticha: Ja, als Beweis habe ich Fotos, wo den Tierschützern nachspioniert wurde und Personen, mit denen sie sprachen, auch im Bild festgehalten wurden.
WUFF: Trifft es zu, dass ein User versuchte, seine Meinung unter mehreren ­Nick­names zu platzieren, um gegen Frau Larcher Stimmung zu machen?
Sticha: Ja, das stimmt.
WUFF: Nachdem der Zusammenbruch eines Hundes durch einige User über mehrere Seiten verharmlost wurde, hast Du ein Foto eingefordert. Wie beurteilst Du aufgrund Deiner Erfahrung im Hundesportbereich den Zustand des gestürzten Hundes?
Sticha: Ich sehe auf dem Bild einen Hund, welcher offensichtlich BEWEGUNGSUNFÄHIG und STEIF (typisch für einen Kreislaufzusammenbruch) im Gespann mitgeschleift wird.
WUFF: Warum wird Deiner Meinung nach im Hundesport konstruktive Kritik sofort verteufelt, anstatt offene Diskussionen zuzulassen?
Sticha: Weil die alten verknöcherten Hierarchien und Ansichten von ­alteinge­sessenen Funktionären geschützt werden sollen. Als Reaktion auf die ­Bekannt­machung des Vorfalles ist allen SSVÖ-Mushern eine Teilnahme an Meisterschaften anderer österreichischer Verbände untersagt worden. Wie ich schon im Forum schrieb: Das hat alles nichts mit Hundesport zu tun!

>>> INTERVIEW


Der Tierarzt vor Ort ist ein Muss!

Dr. Petra Peer ist Renntierärztin bei zahllosen nationalen und internationalen Schlittenhunderennen (wie bspw. dem weltbekannten Iditarod, Alpirod, Alpirace, WM, EM, u.a.m.), sie ist eine der Direktoren in der Internat. Vereinigung der Schlittenhundetierärzte.

WUFF: Erachten Sie die Anwesenheit eines Renntierarztes bei einem Schlittenhunderennen vor Ort als notwendig?
Dr. Peer: An der Notwendigkeit der Anwesenheit eines erfahrenen Tierarztes bei einem Schlittenhunderennen kann es keinen Zweifel geben. Das ist nicht nur im Gesetz vorgesehen, ­son­dern die Verantwortung für die Hunde macht dies auch zu einer Selbstverständlichkeit. Der Renntierarzt muss mindestens 1 Stunde vor bis 1 Stunde nach dem Rennen am Platz anwesend sein. Er entscheidet, ob ein Hund am Rennen teilnehmen darf oder ob sein Gesundheitszustand dies nicht zulässt. Im Ziel kontrolliert er alle einlaufenden Hunde und behandelt sie bei Bedarf sofort oder nach dem Rennen.
WUFF: Es wurde in einem ­Internet­forum diskutiert, ob ein anwesender Tierarzt nicht verzichtbar wäre, da jeder Musher seine Hunde am besten kenne und daher beurteilen könne, ob ein Tierarzt vonnöten sei. Gibt es medizinische Ernstfälle, wo ein Tierarzt sofort lebensrettende Maßnahmen einleiten muss?
Dr. Peer: Überhitzung oder ­Unter­zuckerung müssen sofort behandelt werden, denn einen Transport würde der Hund nicht überleben. Manchmal überschätzt ein Musher die Kräfte seines Hundes, dann ist ein objektives Urteil eines Fachmanns nötig. Für Tierschutzfragen muss ein Tierarzt anwesend sein. Der ist objektiv und hat laut Gesetz auch die Kompetenz, sofort Maßnahmen zu ergreifen.

>>> STELLUNGNAHME BH LILIENFELD

Die Bezirkshauptmannschaft (BH) Lilienfeld zu dem Fall Manfred K.:
Strafverfahren gegen Veranstalter und Musher eingeleitet.

WUFF fragte bei der BH Lilienfeld nach, ob gegen den Musher Manfred K. Anzeige wegen Tierquälerei erstattet worden ist und ob die Einhaltung des „Merkblattes Schlittenhunde“ von der BH gefordert worden war. Von Bezirkshauptmann WHR Mag. Ernst Anzeletti erhielten wir folgende Stellungnahme und Chronologie der Ereignisse.

„Sehr geehrte Redaktion!

Mit Bescheid der BH Lilienfeld vom 14. Januar 2008 wurde Herrn Josef Schachinger die Durchführung von Internationalen Schlittenhunderennen am 19. und 20.01. 2008 im Bereich des Sportplatzes Sägemühle in der Gemeinde Annaberg gem. § 23 mit § 28 Abs. 1 Tierschutzgesetz und § 1 Abs. 1 Tierschutz-Veranstaltungsverordnung bewilligt.
Mit diesem Bescheid wurde das Merkblatt des NÖ Tierschutzombudsmannes für Schlittenhunderennen zu einem wesentlichen Bestandteil des Bescheides erklärt und die Einhaltung der dort angeführten Punkte verpflichtend angeordnet. In diesem Bewilligungsbescheid wurde u.a. (23 Auflagenpunkte) vorgeschrieben, dass die tierärztliche Versorgung der Hunde während der Veranstaltung jederzeit gewährleistet sein muss.

Eine Rückfrage beim Amtstierarzt der BH Lilienfeld hat ergeben, dass in den letzten Jahren während der Veranstaltung stets ein Tierarzt vor Ort anwesend war. Heuer ist es offensichtlich aus Kostengründen unterblieben und wurde nur eine Rufbereitschaft mit 2 Tierärzten vereinbart. Durch den Amtstierarzt der BH Lilienfeld wurde die Veranstaltung auch am 20.01.2008 überwacht, wobei ihm auf seine Anfrage, ob es zu Zwischenfällen gekommen sei, eine verneinende Antwort gegeben wurde.

Erst am Mittwoch, dem 23. Januar 2008, wurde der Amtstierarzt telefonisch von den Vorkommnissen informiert und ist anschließend noch am selben Tag nach ­Annaberg gefahren, wo er eine klinische Untersuchung des betroffenen Hundes durchgeführt und die Nationale über die Chipkontrolle geprüft hat.

Gegen den Veranstalter wie auch gegen den Hundehalter wurden von der BH Lilienfeld Strafverfahren eingeleitet. Nach Information der BH Lilienfeld wurde der Hund nach dem Zwischenfall weder tierärztlich untersucht noch versorgt, da dies vom ­Hunde­halter nicht für notwendig geachtet wurde. Eine Blutuntersuchung bez. ­Doping­verdacht durch den Amtstierarzt am 23.01.2008 ist unterblieben, da nach Ansicht des Amtstierarztes eine solche am 23. Januar nicht mehr zielführend erscheint.
Auf Grund der vorhandenen Dokumente der Rennleitung über die Chipkennzeichnung ist nach Angaben des Amtstierarztes das Alter des betroffenen ­Hundes mit etwa 16 Monaten festgestellt worden. (Anm. d. Red.: Das im Schreiben angegebene Alter des Hundes wurde am selben Tag telefonisch auf 18 Monate ­korrigiert.)

Die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld bedauert den Zwischenfall beim Hundeschlittenrennen in Annaberg in diesem Jahr außerordentlich und ist bemüht, solche Vorkommnisse in der Zukunft hintanzuhalten. Dazu findet zur Zeit in ­Zusammen­arbeit mit dem NÖ Tierschutzombudsmann eine Überarbeitung des Merkblattes statt und wird die BH Lilienfeld für die Zukunft nur mehr dann solche Bewilligungen erteilen, wenn eine schriftliche Vereinbarung des Veranstalters mit einem Tierarzt darüber vorliegt, dass sich dieser während der gesamten Veranstaltungsdauer im Start- und Zielbereich aufhalten wird.

Mit freundlichem Gruß
Der Bezirkshauptmann
WHR Mag. Ernst Anzeletti, Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld“

>>> INTERVIEW

„Das ist ein absoluter Notfall“

Dr. Dagmar Kriegler ist eine der renommiertesten ­Tier­ärzt­innen im Schlittenhundebereich in Mitteleuropa. So leitet die Deutsche seit Jahren das Tierarztteam beim Rennen „Alpentrail“, das ­länderüberschreitend in der Schweiz und in Südtirol seit 25 Jahren stattfindet und zu den Aushängeschildern im europäischen Schlittenhundesport gehört. Im WUFF-Interview erklärt sie das Problem der Überhitzung bei Hunden.

WUFF: Wann spricht man von Überhitzung bei einem Hund?
Dr. Kriegler: Wenn die Thermoregulation des Hundes, also das Gleichgewicht zwischen ­Wärme­bildung und ­Wärme­abgabe, durch äußere Um­stände oder genetische Veranlagung nicht mehr richtig arbeitet. Äußere Umstände wären bspw. zu hohe Temperaturen, zu hohe ­Luft­feuchtigkeit, bzw. maligne Hyperthermie als genetische Störung.
WUFF: Ist dieser Zustand vom Besitzer ­erkennbar?
Dr. Kriegler: Ja. Der Hund atmet ganz intensiv, speichelt, drückt den Kopf nach oben und fängt an zu taumeln.
WUFF: Wodurch wird dieser Zustand ­hervor­gerufen?
Dr. Kriegler: Es wird mehr Wärme vom Körper gebildet als abgegeben werden kann. Der Hund hat nur sehr wenige Schweißdrüsen in der Haut. Entscheidender Regelprozess des Hundes für die Verdunstung und die damit verbundene Wärmeabgabe ist die Fähigkeit des Hechelns.
Es verdunstet Wasser über die Schleimhäute des Maules, des Rachens, der Luftröhre und der ­Lunge sowie die abgegebene Atemluft. Das sehr funktionstüchtige System der Thermoregulation eines Schlittenhundes kann vor allem durch extreme Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit, fehlende Luftzirkulation und Überanstrengung gestört werden.
WUFF: Kann Überhitzung zu bleibenden Schäden führen?
Dr. Kriegler: Ja, denn infolge der extremen ­Temperatur­erhöhung kann es durch eine Eiweißdenaturierung zu ­möglichen Schäden an Herz und Nieren kommen. Bei jedem Hund muss eine Hyperthermie (Hitzeschock/Hitzekollaps) labordiagnostisch nachverfolgt werden.
WUFF: Besteht Lebensgefahr?
Dr. Kriegler: Es ist ein absoluter Notfall.
WUFF: Ist es üblich, dass bei ­Schlittenhunde­rennen kein Tierarzt vor Ort ist?
Dr. Kriegler: Normalerweise ist das nicht üblich. Warum das in Annaberg der Fall war, weiß ich nicht.

>>> STELLUNGNAHME DES BETROFFENEN MUSHERS

Viele Fragen – kaum Antworten

Im Sinne einer objektiven und fairen Berichterstattung schickte die WUFF-Redaktion an alle Betroffenen des Annaberg-Rennens einen ausführlichen Fragenkatalog. So auch an den ­Burgen­ländischen Schlittenhunde Sportclub (BSSC) und dessen Obmann Gerald Schinzel, sowie an den beschuldigten Musher Manfred K. Unser faires Angebot einer umfassenden ­Sach­verhaltsdarstellung wurde bedauerlicherweise von beiden nicht als solches angenommen, und so blieben viele Fragen unbeantwortet.

Unter anderem wurde Herr K. gefragt, ob tatsächlich einer seiner Hunde im Zielbereich zusammengebrochen sei, nicht mehr selbständig aufstehen konnte und anschließend in einer eisigen Wasserpfütze deponiert worden sei. Außerdem, ob ein Tierarzt angefordert wurde bzw. vor Ort war und ob ein Musher erkennen könne, wenn ein Hund ­Erschöpfungs­erscheinungen zeige bzw. ein Überhitzungskollaps drohe.
Herr K. ging auf keine dieser Fragen ein, die überwiegend mit einem einfachen Ja oder Nein ohne großen Zeitaufwand zu beantworten gewesen wären. Der Musher im Originalzitat: „Ihr Schreiben vom 9. Februar 2008 habe ich erhalten und bin über den umfangreichen Fragenkatalog verwundert, dass Sie von mir Antworten erwarten, die nicht einmal ein Hellseher beantworten könnte.“ Weiter sagt er, dass „zu keiner Zeit einer ­meiner Hunde gesundheitlich gefährdet oder zu Schaden gekommen ist – weder bei der Veranstaltung in Annaberg noch in der ­Ver­gangenheit.“ Auch die Fragen nach der Sinnhaftigkeit von Dopingkontrollen und möglichen ­gesundheit­lichen ­Folge­schäden aufgrund von Überhitzung blieben ohne Resonanz.

Manfred K. bezeichnet sich auf seiner Homepage als ­Hundeflüsterer. Auf die Frage, worauf sich diese Bezeichnung begründe, antwortet Herr K.: „Vielleicht sollten Sie in Ihrer Zeitschrift einen positiven Bericht über einen Hundeflüsterer – dieser Name wurde mir von Menschen gegeben, die sich verzweifelt mit ihren Hundeproblemen an mich gewandt haben und dadurch heute ­glück­liche Hundebesitzer sind – bringen, der sich wirklich für die Tiere und Menschen einsetzt, ohne sich den Titel Tierschützer ­anzu­maßen.“ Manfred K. betont: „Seit nunmehr 15 Jahren habe ich vielen Mushern und Hundebesitzern europaweit geholfen.“ Trotzdem beantwortet Herr K. die Frage, ob ihm jene ­Passage im FISTC-Tierschutzprotokoll (Punkt 5c, siehe unten), die sich auf den Fall überhitzter und erschöpfter Hunde ­be­zieht, bekannt ist, mit keinem Wort. Dagegen sagt Manfred K. über die Tierschützerin Heidi Larcher, dass sie nur ­versuchen würde, ihm öffentlich zu schaden. „Das Einschreiten von Heidi L. diente nicht dem Tierschutz, sondern einzig und allein dazu, dem veranstaltenden Verein und wieder einmal mir publikumswirksam zu schaden.“

Ähnlich wenig auskunftsfreudig zeigte sich auch Gerald ­Schinzel vom veranstaltenden BSSC. Auf der Vereins-­Homepage stand zu lesen, dass Manfred K. von den Rennleitern ­Helmut Kellner und Andreas Probst mündlich verwarnt wurde. Wir fragten nach, wofür. Keine Antwort. Wir fragten nach, ob tatsächlich kein Tierarzt vor Ort gewesen war. Keine Antwort. Wir fragten nach, wie weit entfernt die Praxis des Bereitschafts-Tierarztes gelegen ist. Keine Antwort. Wir fragten nach, ob es üblich sei, einen erschöpften Hund bereits nach ersten Anzeichen in den Schlittensack zu packen. Keine Antwort. Wir fragten nach, ob die Einhaltung des Merkblattes der NÖ Tierschutz-Ombudsfrau für Schlittenhunde von der Behörde für das Rennen verlangt worden war. Keine Antwort. Weil auf der Homepage des BSSC aufgefordert wurde, Fotos von der Zielfahrt des Herrn K. zu schicken, fragten wir nach, ob denn die anwesenden Rennleiter nicht erkennen konnten, ob und wie oft der ­be­treffende Hund zu Boden gegangen war. Keine Antwort. ­Lapidar antwortete Herr Schinzel pauschal: „Aus Ihren umfangreichen Fragestellungen geht hervor, dass Sie Herrn Manfred K. tierschutzrelevantes Verhalten unterstellen. Dies ­können wir in keiner Weise bestätigen, da zu keiner Zeit einer seiner Hunde gesundheitlich gefährdet war oder zu Schaden gekommen ist.“

Wie schon Herr K. beschuldigt auch Herr Schinzel die Tierschützerin Heidi Larcher sowie eine zweite Schlittenhundesportlerin, dem BSSC nur schaden zu wollen. „Diesen Damen geht es nicht um den Tierschutz, sondern nur darum, Veranstaltungen anderer Vereine mit Mitteln aller Art in den Dreck zu ziehen – und wenn es gelingt, dann sind sie die großen Messiasse im Schlittenhundesport.“ Wie schon Manfred K. wirft auch Herr Schinzel WUFF vor, an einer seriösen ­Bericht­erstattung nicht interessiert zu sein. „In diesem Sinne sind wir der Meinung, dass auch ihr Magazin keine faire und objektive Berichterstattung über das Schlittenhunderennen am Annaberg bringen kann (…)“. Begründet wird der Vorwurf mit unserem umfangreichen Fragenkatalog, Fragen, die leider zum Großteil ohne Antwort blieben.

Auszug aus dem FISTC (Internationale Schlittenhundesport-Föderation)-Tierschutzprotokoll (Punkt 5c):

Übersetzung: „Wenn bei dem Sich-Nähern oder Passieren der Ziellinie einer oder mehrere Hunde überlastet (überhitzt, erschöpft) scheinen, und in dem Falle, dass der Musher dafür verantwortlich ist, wird dies als sehr ernstes Vergehen betrachtet. Wenn es nicht die Schuld des Mushers zu sein scheint, müssen der AWS (Animal welfare supervisor, Tierschutzbeauftragter) und der Tierarzt mit dem Musher das Problem und dessen Ursache diskutieren.“

Diskutieren Sie über diesen Artikel im WUFF-Forum unter www.wuff-online.com/annaberg2008